Riva Boot: Eine Königin aus Mahagoni
Der Mythos Riva
Saint-Tropez, Mitte der 60er-Jahre: Gunter Sachs, weltbekannter Lebemann und Fotograf, dreht den Zündschlüssel seiner Riva Super Ariston. Es ist Abend, der Beginn einer Vollmondnacht, und statt der üblichen, eher legeren Bootskleidung trägt Sachs dem Anlass angemessen einen Smoking. Sein Ziel: Er will heute das Herz einer einzigartigen Frau gewinnen. Aus einem Hubschrauber hat er bereits Rosen auf das Anwesen von Brigitte Bardot regnen lassen, das Verführungsfinale soll nun auf dem Deck seiner Riva folgen.
Dass die Bardot seekrank werden oder wasserscheu sein könnte, muss Sachs nicht befürchten. Sie selbst fährt die Super Florida der italienischen Riva-Werft. Was dann bei Sachs an Bord passierte, darüber existieren nur Heldengeschichten aus einer anderen Zeit. Angeblich ist es dank dieser maritimen Exkursion um Brigitte geschehen. Die beiden sollen das Ruder fixiert und sich dann auf den Polstern geliebt haben. Wie lange? Wahrscheinlich, bis der Tank leer war …
Es sind Geschichten wie diese, die den Mythos Riva begründen. Ein Mahagoni-Runabout aus Sarnico gehört vor allem in den 60er-Jahren zum Lifestyle des Jetsets. Riva-Besitzer, das sind nicht so sehr Bootsenthusiasten, es sind die Schönen, Reichen und Erfolgreichen, die gekrönten und ungekrönten Häupter, die Playboys und Stars der Wirtschaftswunderzeit. Die, selbst zu Legenden inszeniert, dieses Boot zum Sinnbild ihres Erfolgs und damit selbst zur Legende machen. Und natürlich den Vater und Namensgeber ihres Statussymbols: Carlo Riva.
Inzwischen verstorben und davor immer der typische, gepflegte Signore, trotzt er 1950 seinem Vater die Erlaubnis ab, in dessen Werft am oberitalienischen Lago d’Iseo seine Träume in die Tat umzusetzen. Carlo ist ein großer Bewunderer der amerikanischen Sportboote von Chris-Craft und will diese Art von Booten bauen – in höchster Qualität und Stückzahlen, von denen man im gerade den Kriegswirren entwachsenen Europa kaum zu träumen wagt. Doch er behält recht.
Riva Modelle
Rivas elegant gestylten Modelle – Rumpf und Aufbauten aus edlem Mahagoni, besetzt mit chromblitzenden Beschlägen und Instrumenten, angetrieben von starken Achtzylindermotoren – treffen den Nerv der Zeit. Bald fertigen 290 Arbeiter 300 Boote pro Jahr, und die Modellbezeichnungen Florida, Ariston, Olympic und Tritone gehören selbst zum deutschen Wortschatz. Kaum jemand, den die Italien-Reisewelle an die Seen oder ans Meer spült, kann sich schließlich dem Anblick der braunen Flitzer entziehen.
Der Kundschaft Rivas hat es insbesondere das Spitzenmodell Tritone angetan, das Anfang der 60er-Jahre aus Marketinggründen in Aquarama umbenannt wird: acht Meter lang, zweimotorig und mit einer Liegewiese ausgestattet, bei der man auf dumme Gedanken kommen könnte. Sophia Loren kauft eine, Peter Sellers, König Hussein von Jordanien, Friedrich Karl Flick sowie Max Grundig. Und selbstverständlich gehört auch zu Gunter Sachs’ Fuhrpark eine Super Aquarama, die etwas stärkere und längere Weiterentwicklung.
Bis 1969 funktioniert dieser Run auf die Runabouts aus Sarnico. Es ist die Zeit, als die Gewerkschaften Italiens zum Umsturz des Systems aufrufen und auch Carlo Riva sich zermürbenden Streiks ausgesetzt sieht. Irgendwann hat er davon genug. Da ein Sohn als Nachfolger fehlt und die Kaufinteressenten Schlange stehen, verkauft er die Werft an den amerikanischen Mischkonzern Whittaker, der später an die britische Vickers-Gruppe (unter anderem Rolls-Royce) verkauft.
Es ist der Untergang der Holzära bei Riva. Die Vickers-Leute, allesamt erfahrene Investoren, sehen im Kunststoff die Zukunft des Bootsbaus. Und so wird 1996 mit der Baunummer 783 die letzte Aquarama beplankt.
Carlo Riva, von Whittaker zwar zum Präsidenten auf Lebenszeit ernannt, hat sich da aus dem aktiven Geschäftsleben längst verabschiedet – ganz zurückgezogen jedoch noch lange nicht. 1998 gründet er die Riva Historical Society, einen Verein für Eigner hölzerner Rivas, die heute eher zur Spezies „bootsverrückt“ gehören, als „berühmt und schön“ sind. Bei Treffen zwischen Schweden und Italien, aber auch am Lake Tahoe bewahren sie den Mythos. Und es gibt zahlreiche.
Restauration der Riva Boote
Wer die legendären Boote, technisch gesehen, am Leben erhält, sind verschiedenste, hoch spezialisierte Betriebe. Im Hamburger Vorort Wedel in der Tischlerei Gutschow standen etwa schon Rivas, die man – mit gesundem Menschenverstand betrachtet – eher im Kamin verfeuern würde, als sie wieder aufzumöbeln. Rund 2500 Arbeitsstunden steckte man dort schon in eine Aquarama, die „völlig verkohlt“ auf den Arbeitsböcken landete und jetzt wieder schwimmt. Die Boat Lounge in Berlin ist ebenfalls eine renommierte Adresse, Jürgen Renken in Hamburg sowieso, Poroli Special Boats am Lago Maggiore und natürlich der Monaco Boat Service im Fürstentum und direkt am Port Hercule gelegen.
Geschichte des Unternehmens
Die Geschichte hinter einem der vielleicht ungewöhnlichsten Bootshändler und Servicebetriebe ist einfach wunderbar. Als Carlo Riva in den späten 1950er-Jahren das Fürstentum Monaco für sich und seine hölzernen Runabouts entdeckte, staunte er nicht schlecht: Der Ort und seine solventen Einwohner schienen perfekt zu seinen Aristons und Tritones zu passen, nur der Hafen bot überhaupt keine geeigneten Plätze, um die grazilen Boote anzulegen.
„Monseigneur, ich würde mich freuen, im Port Hercule eine Steganlage und an Land ein Lager für unsere schönen Boote zu installieren. Selbstverständlich auf meine Kosten.“ Exakt überliefert ist das Gespräch nicht, aber so oder so ähnlich muss es geklungen haben, als Carlo Riva bei Fürst Rainier III. vorstellig wurde, um die jenem unterstellte Marina etwas besser für die avisierte Jetset-Klientel aufzurüsten.
Rainier jedenfalls, bekennender Liebhaber der hölzernen Tender aus Sarnico, machte eine Zusage, und so entstand mit dem Monaco Boat Service ein maritimer Stützpunkt, der damals seinesgleichen suchte und heute noch sucht. Da rund um den Hafen keine Halle zu mieten oder zu installieren war, erhielt Carlo Riva die Genehmigung, in den Felsen, auf dem oben der Fürstenpalast thront, ein Lager zu sprengen. Mit einigen Stangen Dynamit war es dabei allerdings nicht getan. Um die filigranen Mahagoni-Bauten im manchmal kalten und feuchten Winter des Fürstentums zu stauen, entstand ein rund 100 Meter langer, zehn Meter breiter und etwa sechs Meter hoher Tunnel mit Platz für etwa 50 Boote auf zwei Etagen.
Das Unternehmen heute
Die Tochter Carlo Rivas führt heute die Geschäfte des Monaco Boat Service und wird kontinuierlich auf diese ganz besondere Örtlichkeit angesprochen. Stünden die Tore offen, blieben die Touristen stehen und staunten, stetig seien Firmen am Telefon, ob sie den Tunnel für Events nutzen könnten. Vornehmlich sei der Tunnel aber natürlich für ihre Eigner reserviert, bekräftigt Riva, die sich über mangelnde Kundschaft übrigens nicht beklagen kann.
Nach einer kleinen Flaute im Kielwasser der Finanzkrise ist die Marke Riva rund um Monaco gefragter denn je. Die Klientel für Iseo, Folgore und Rivale – also die neuen Modelle – stamme dabei aus aller Herren Länder, einen Zweitwohnsitz in Monaco oder an der Côte d’Azur habe fast jeder Kunde, so Lia Riva. „Erst kamen viele Araber, dann Japaner, jetzt auch Inder und Chinesen.“ Zu den umsatzstärksten Nationalitäten gehören aber die Niederländer und die Deutschen. „Ich kann leider nicht sagen, wer das ist, aber es sind sehr berühmte Namen darunter.“
Gunter Sachs darf indes genannt werden. „Den Gunter und alle, die mit ihm unterwegs waren, habe ich sehr gern betreut.“ Ein bisschen Sehnsucht schwingt in Lia Rivas Stimme mit; der damalige Jetset scheint ihr gefallen zu haben. Mehrere Jahre hätten die Prominenten zwischenzeitlich andere Bootsmarken bevorzugt, inzwischen lege das Interesse aus diesen Kreisen aber genauso zu wie das von Superyachteignern.
Lia Rivas Ansatz
Quasi seit ihrer Geburt ist Lia mit den edlen Tendern, die genauso heißen wie sie selbst, vertraut. „Wir haben früher über den Werfthallen in Sarnico gewohnt, Arbeit und Freizeit verschmolzen bei uns. Den Holzgeruch habe ich geliebt und irgendwie immer noch in der Nase. Die Arbeiterinnen nähten nebenbei noch Kleider für meine Puppen, und am Wochenende fuhren wir mit unserem Vater oft auf den See. Ich glaube, mit zwei oder drei Jahren durfte ich das erste Mal steuern“, erzählt Lia und lacht.
„Der Nachname hilft manchmal schon beim Verkauf. Die Kunden haben ein ganz anderes Verhältnis zur Marke, wenn sie mit dem Gründer oder Eigentümer sprechen können.“ Doch der Nachname allein sorgt indes nicht für den Zulauf; es ist das attraktive Wort „Service“ in der Bezeichnung des Unternehmens.
Über den Büros arbeitet ein gutes Dutzend Bootsbauer in der hauseigenen Werkstatt, wo etwa Motoren überholt, Polster neu bespannt und kleinere Schäden repariert werden sowie sämtliche Riva-Teile im internen Ersatzteillager verfügbar sind. „Trotzdem“, sagt Lia Riva und bezieht sich dabei auf ihr schon sehr ausgereiftes Geschäftsmodell, „muss man sich immer wieder andere Ansätze überlegen, um Kunden zu halten oder welche zu gewinnen.“ Das gelte allerdings vor allem für die neuen, inzwischen in den Ferretti-Konzern integrierten Rivas – die alten seien Hafen-Gold. Je nach Modell und Erhaltungszustand beginnen die Preise bei 70 000 Euro, können aber nach Zustand und Modell auch leicht 600 000 Euro erreichen. In den Hinterkopf bei diesem Investment gehört dabei immer, dass es keinen Nachschub mehr geben wird – man ist einer von nur 2000 Rivarista. Einer von wenigen.