Die Freiheit der ständigen Erreichbarkeit
Es müssen 60 oder 70 aneinandergereihte Lichtpunkte sein, eine Einheit, die wie eine funkelnde Perlenkette nachts über unsere Köpfe fliegt. Ich kann das unbekannte Flugobjekt mit meinen eigenen Augen sehen. Und Jan versichert: Das sind keine Außerirdischen oder eine Illusion, das ist Starlink. Ich hatte die Satelliten noch nie so klar am Nachthimmel gesehen. Für Landratten eine eher untergeordnete Entwicklung, ist das schnelle Satelliteninternet von Elon Musk bei Cruisern das Gesprächsthema. In der Karibik sieht man kaum noch ein Langfahrtboot ohne die nötige Dishy-Empfängerantenne. Vollzeitreisen, Fernarbeit und Homeschooling auf See – alles geht, nichts muss.
Zeitverschiebung als Herausforderung im Job
Die Liste derer, die ihr festes Heim gegen ein hochseefestes Boot getauscht haben, weil Arbeit nun überall möglich ist, ist lang. Die Entscheidung ist nicht mehr „entweder...oder“ – sondern „wann?“ und „wo?“. Lara und Ben aus Südafrika etwa finanzieren mit ihren Youtube-Videos ihre Weltreise und waren bis vor Kurzem auf lahme Internetverbindungen in Restaurants und Cafés in Häfen angewiesen. Teilweise so langsam, dass sie ihren Laptop über Nacht im Restaurant angesteckt liegen ließen, damit die Videos pünktlich jeden Sonntag auf ihrem Kanal erscheinen konnten. Oder Beverley aus Kanada, sie ist Fitness-Influencerin und macht neuerdings erfolgreich Workout-Challenges aus ihrer Kajüte – für Zuschauer, die wenig Platz zu Hause haben. Maren und Matthias aus Hamburg führen seit 2015 ihre Agentur Vast Forward vom Wasser aus.
Mittlerweile auf ihrem dritten Boot unterwegs, einer Outremer 51, sind sie nach sechs Jahren Mittelmeer letztes Jahr in die Karibik gesegelt. Die Herausforderung im Job: die Zeitverschiebung. Arbeitstage können lang sein, aber für Maren ist der morgendliche Sprung ins Meer der perfekte Ausgleich. In ihrer Agentur für digitale Produktion arbeiten Programmierer, Entwickler, Grafiker, Projektmanager und Kreative komplett frei – ortsungebunden. Die beiden leben und arbeiten völlig autark auf ihrem Katamaran und genießen die paradiesischen Strände Arubas, segeln nach der Hurrikansaison auf die Bahamas, um danach den Sommer an der Ostküste Amerikas zu verbringen.
Starlink ermöglicht Internet auf hoher See
Jane und Matt aus Florida segeln weniger Strecke. Sie leben seit einem halben Jahr mit ihren beiden Töchtern auf einem Leopard-Katamaran in Grenada. Morgens ist vor Anker an Bord Schulbetrieb, und am Nachmittag geht es per Beiboot an den Strand Freunde treffen. Jane hat eine Modemarke, und Matt kümmert sich um die Produktfotografie und das digitale Marketing. Der Verkauf geht über Instagram und Tiktok, zu Hause läuft der Versand automatisiert, dank Dropshipping. Jahrelang hatten sie den Traum, segeln zu gehen, um den Mädchen die Welt zu zeigen und Zeit in der Natur zu verbringen.
Und obwohl – wie unsere Freunde zugeben – ein Stück der Seglerromantik mit der ständigen Erreichbarkeit verloren geht, treffen wir immer mehr Paare und Familien, die so Vollzeit remote arbeiten und dabei die Weltmeere bereisen. Ob Broker, Berater, Buchhalter, Designer, Agenturchefs, Modelabel-Besitzer, Cryptotrader, Youtuber, Journalisten, Fotografen und Filmemacher – Elon Musk hat allen Freigeistern mit Starlink ein großes Werkzeug an die Hand gegeben. Wer seinen Traum einer Weltreise verwirklichen möchte, muss kein Aussteiger sein, eher ein Umsteiger.
Die erste Kolumne von Jan Buese und Jessie Schoeller können Sie hier nachlesen und ihre Reisen auf Instagram verfolgen.