Nachhaltigkeit im Yachting: Arc One, Torqeedo & Co.
Umweltbewusstsein auf dem Wasser dank Solarenergie
Als der Liter Super noch 51 Cent kostete, da bekamen selbst Powerboot- Fahrer an der Tankstelle keine Sorgenfalten. Ein Nachmittag auf dem Rhein mit 2000 PS im Heck kostete gefühlt so viel wie heute eine Autofahrt von Frankfurt nach Hamburg. Als also nach der Ölkrise das Benzin wieder munter in jegliche Tanks fließt und Gedanken an eine Klimakrise höchstens in den Köpfen einiger Strickpulli-Grünen existieren, da ist man an der Hochschule Konstanz schon mindestens drei Schritte weiter.
Nicht nur gedanklich, sondern ganz handfest: Denn 1988 wird die Korona am Konstanzer Seerhein zu Wasser gelassen – das weltweit erste Boot, dessen Systeme vollständig mit Solarenergie angetrieben wurden. Studenten sind auf die Idee gekommen, ein Boot zu entwickeln, das nur mit der Kraft der Sonne fährt und dennoch leistungsmäßig mit einem 6-PS-Freizeitboot mit Verbrennungsmotor mithalten kann.
Die über die Jahre immer wieder an moderne Technologie angepasste Korona, 7,20 Meter lang und zwölf km/h schnell, bewies in unzähligen Test- und Studienfahrten ihre Alltagstauglichkeit, bevor sie im Herbst 2021 dann ihren letzten Törn als Exponat in das Deutsche Technikmuseum in Berlin antrat und inzwischen durch ihre Nachfolgerin Solgenia ersetzt wurde.
Torqeedo: Hersteller von Elektromotoren
Die nächsten Praktiker, die sich nach den Konstanzer Studenten mit nachhaltigeren Antrieben stark beschäftigen sollten, waren Mitte der 2000er-Jahre Gardena-Manager Christoph Ballin und Friedrich Böbel. Weil der Betrieb von Verbrennungsmotoren auf dem Starnberger See stark eingeschränkt war (und immer noch ist), suchten sie nach einer Alternative, fanden aber keine. Keine Hightech-Produkte, keine industriell gefertigten Antriebe, stattdessen eine Marktchance.
Daraus erwuchs Torqeedo, ein Hersteller von Elektromotoren, die es inzwischen in mehr als 100 Ländern zu kaufen gibt. Torqeedo bietet Außen- und Innenborder, elektrische Antriebe und Hybridantriebe bis 100 Kilowatt Leistung. Laut Hersteller, inzwischen (für 74 Millionen Euro) zur Deutz-Gruppe gehörend, haben sich bereits 100 000 Kunden für ein Torqeedo-Produkt entschieden. Und dabei soll der Marktanteil von Elektromotoren auf dem Wasser, und das kann man nur schätzen, bei zwei Prozent liegen – ähnlich wie bei Elektroautos.
Das Potenzial ist indes enorm, ähnlich wie an Land: Angesichts des weltweiten Bevölkerungswachstums, des Wachstums der globalen Mittelschicht, der begrenzten Ölvorräte und der Bemühungen, Global Warming zu begrenzen, muss der Markt zwangsläufig zulegen.
SAY 29 E: mit Rekordgeschwindigkeit in die Geschichtsbücher
Dann aber, und die Torqeedo-Gründer hatten es schon früh erkannt, wuchs das Interesse. Zunächst im Segment bis zehn Meter Länge, wo unter anderem SAY Carbon aus Wangen im Allgäu als einer der Innovatoren gilt, nachdem die Werft von mehreren Investoren unter der Federführung von Karl Wagner gekauft wurde. Wagner, Carbon-Pionier im Fahrzeugbau aus Österreich (Carbo Tech Composites), erkennt, dass, ähnlich wie bei seinen Kunden aus dem Motorsport, ein geringes Gewicht für eine nachhaltige Performance ausschlaggebend ist. Er optimiert die SAY-Produktion und lanciert mit der SAY 29 E ein elektrisch angetriebenes Dayboat, das es mit einer Weltrekordgeschwindigkeit von 89 km/h in die Geschichtsbücher schafft.
Für die Batterietechnik sorgt Kreisel Electric aus Österreich, erst 2014 gegründet und sieben Jahre später rund 160 Mitarbeiter stark und so attraktiv, dass Familie Kreisel vom US-Industrieunternehmen John Deere ein solch gutes Angebot für eine Mehrheitsbeteiligung bekam, dass man einschlug.
Arc One: Design von der Raumfahrt inspiriert
Überhaupt scheinen branchenfremde Investoren Gefallen an der umweltfreundlichen Art des Bootfahrens zu finden. In den USA investieren beispielsweise Will Smith, Kevin Durant und Sean Combs – alle drei Superstars aus dem Sport und Entertainment – in das Startup Arc. Wie ein Tesla auf hoher See verfügt das 24-Fuß- Boot, das Arc One genannt wird, über einen Elektroantrieb, der 475 PS leistet und mit einer einzigen Batterieladung zwischen drei und fünf Stunden fahren kann.
Das von den Arc-Mitbegründern Mitch Lee und Ryan Cook erdachte Boot orientiert sich am Raumfahrtdesign. Kein Zufall, denn einige Mitarbeiter von Arc, darunter auch Cook, haben zuvor als Ingenieure bei SpaceX für Elon Musk gearbeitet. Und obwohl Elektroboote leiser, schneller, zuverlässiger, wartungsärmer und weniger kostspielig im Unterhalt sind, haben sie sich aufgrund von drei Herausforderungen, laut Mitch Lee, noch nicht flächendeckend durchgesetzt.
In der Vergangenheit gab es keine Lieferkette für Batterien, die für Boote benötigt werden, nicht die richtigen elektrischen Systeme und keinen Rumpf, der für das Gewicht und das Volumen ausgelegt ist, die für große Batteriepakete benötigt werden. Arc ist angetreten, diese Herausforderungen zu lösen, und wird in diesem Sommer mit den ersten Auslieferungen beginnen. Die Arc One kostet 300 000 Dollar.
Angesichts hoher Nachfrage stehen die Zeichen auf grün
Während die Ingenieure von Arc derweil noch einige Testfahrten absolvieren, erfreuen sich die Modelle XO, Eelex, Rand, Vita, Alfastreet, Magonis, Marian, Navier oder Q Yachts schon einer gesunden Nachfrage. Gebaut wird in Skandinavien, den USA, Frankreich, Deutschland oder Polen. Die Preisunterschiede bei den Herstellern sind zum Teil enorm. Während für die 5,50 Meter lange und bis zu 22 Knoten schnelle Magonis Wave rund 40 000 Euro fällig werden, sind es für eine rund drei Meter längere und unwesentlich schnellere Hinck ley Dasher fast 500 000 Euro. Die langsame Alfastreet 28 (9,84 m, 7,5 kn) gibt es für etwa 180 000 Euro und die SAY 29 E für 396 000 Euro.
Allen gemeinsam ist, dass sie nach einigen Stunden wieder an die Steckdose müssen. Da das Einsatzgebiet jedoch hauptsächlich Binnengewässer sind und die Boote alle als Daycruiser konzipiert, ist dies zu vernachlässigen. Ihren eigenen Strom zur Versorgung generieren übrigens die Modelle von Silent Yachts. Die auf dem Dach montierten Solarpanels liefern genügend Energie, um die Batterien aufzuladen, wenn das Boot am Liegeplatz oder vor Anker liegt. Während der Fahrt helfen sie, die Reichweite zu erhöhen oder sogar die Motoren direkt anzutreiben, wenn auch bei sehr langsamer Geschwindigkeit. Dafür gibt man – eben das niedrige Tempo vorausgesetzt – eine nahezu unendliche Reichweite an.
Hybridyachten als Schritt zu einem emissionsfreien Antrieb
Inzwischen entdecken übrigens auch viele Anbieter von großen Yachten, also solchen über 24 Meter Länge, das Prinzip des Elektroantriebs. Etliche Werften bieten sogenannte Hybridlösungen an, die es erlauben, per E-Motor in die nächste Bucht zu fahren und dort vor Anker den Bordbetrieb per Batterieleistung aufrechtzuerhalten. Ähnlich wie im Automobilsektor sind diese Hybridyachten wohl ein Schritt in die Richtung hin zu einem emissionsfreien Antrieb. Batterien sind eine Möglichkeit, nachhaltig unterwegs zu sein.
Stärker im Fokus im Großyachtbereich steht jedoch die Entwicklung eines Antriebs auf Brennstoffzellen-Basis. Die Werften Oceanco und Lürssen entwickeln unter Hochdruck Yachten mit Wasserstoffbrennstoffzellen. Das aktuelle Lürssen-Projekt etwa verspricht bis zu 20 Tage vor Anker oder 1000 Seemeilen im reinen Wasserstoffbetrieb.
Seit 2009 ist man Partner des nationalen Forschungsprojekts Pa-X-ell. Gemeinsam mit weiteren Unternehmen wie Besecke, Carnival Maritime, DLR, DNV, EPEA, Freudenberg und der Meyer Werft wird hier an der Entwicklung eines hybriden Energiesystems mit einer neuen Generation von PEM-Brennstoffzellen für Yachten und Hochseepassagierschiffe gearbeitet.
Mit der Firma Freudenberg hat Lürssen außerdem ein Konzept für eine Brennstoffzelle erarbeitet, die mit kontinuierlich aus Methanol reformiertem Wasserstoff betrieben wird. Die Zeichen stehen auf Grün. Wie schnell sich nun das Yachting neu erfindet, hängt wohl stark von den Wünschen der neuen Eigner ab – und ob sich das Image eines schwimmenden Verbrenners dem Zeitgeist anpasst.