Diese Designer definieren Superyachten neu

Foster, Thun, Armani: Eine neue Generation von Gestaltern bricht mit den überholten Konventionen der Yachtbranche. Wieso Bootsbauer beim Design jetzt auf Branchenoutsider setzen.
Text Lucy Alexander
Norman Foster war der erste bekannte Branchenoutsider, der 2008 eine Superyacht gestaltete – mit weiten Fensterfronten statt kleinen Gucklöchern.

Vergnügungsyachten waren bisher eine Sache für Oligarchen und andere maritime Amateure. Männer, die zwar eine Vorliebe für poliertes Teak teilten, sonst aber sehr verschiedene ästhetische Präferenzen pflegten: Nightclub-Chic beispielsweise, mit viel Gold, Kronleuchtern und Oberflächen, in deren lackiertem Schwarz man sich spiegeln konnte. Heute gilt diese Optik als veraltet – dank neuer Technologien, neuer Prioritäten und einer neuen Struktur von Eignern. Die neue, jüngere Eignergeneration kann mit Mahagoni und Zigarrenlounges herzlich wenig anfangen, zelebriert stattdessen Wellness, Wassersport und eine grundsätzlich entspannte Leichtigkeit.

Im Yachtdesign gibt es eine Trendwende

Das Architektur- und Designduo Palomba Serafini aus Mailand entwickelte die Yacht F100 Glass Cabin.

Auf einschlägigen Social-Media-Kanälen versprechen moderne Superyacht-Konzepte jetzt ein Lebensgefühl, in dem Familien durch helle, zum Meer und Himmel hin offene Räume wandeln. Solche Designexperimente werden aber nur selten von gestandenen Yachtdesignern entwickelt. Sie gehen auf frische Einflüsse kreativer Branchenoutsider zurück, auf Gestalter mit einem Hintergrund in der Hotelbranche, im Möbel- oder sogar Modedesign. Menschen also, die eigentlich nur eines gemeinsam haben: Von Booten verstehen sie vergleichsweise wenig. 

Jahrzehntelang gaben Jon Bannenberg, der legendäre Pate des Yachtdesigns, und seine Protegés – Andrew Winch, Terence Disdale, Tim Heywood – vor, wie das Interior eines Luxusboots auszusehen hatte: hochglänzend, dominiert von Materialien wie Marmor und Edelholz; die Grundrisse immer gleich und die Fenster möglichst klein, der Privatsphäre wegen. Allein schon die Namen dieser Designer verliehen jedem Schiff (und seinem Eigner) zusätzliches Renommee. „Die Designer waren so gefragt, dass sie alle selbst ihre Vermögen gemacht haben“, sagt Giovanna Vitelli, Vorsitzende der Werft Azimut Benetti – die jetzt eine klare Trendwende beschreibt: Modernes Yachtdesign sei heute informeller, frischer, luftiger und betone mehr „den wahren Grund, der die Leute hinaus aufs Wasser treibt: das Meer und die Natur“.

Innen- und Außenbereiche fließen ineinander

Die Yachtkonzepte von Giorgio Armani akzentuieren Außenbereiche und setzen dabei auf dezente Farben.

„Du gibst dieses ganze Geld für eine Yacht aus, und dann siehst du den Ozean nur durch winzige Fensterlöcher? Was soll das denn?“, fragt auch Angus Campbell, Seniorpartner beim Architekturbüro von Norman Foster. Als erster namhafter Quereinsteiger hatte sich Foster 2008 ins Yachtdesign vorgewagt. Seine Entwürfe für eine Superyacht-Serie von YachtPlus hoben die zuvor strenge Trennung zwischen Innenräumen und Außenbereichen auf – was vielen damals fast als Sakrileg galt. 2010 begann Giovanna Vitelli, Kreative aus anderen Sektoren gezielt zu Wettbewerben einzuladen. Auf eine erste Kooperation mit dem Architekten Achille Salvagni folgten weitere Partnerschaften mit Gestaltern aus dem Luxussegment, darunter Lazzarini Pickering, Matteo Thun und Antonio Rodriguez. Ergebnis waren Entwürfe, die „auf viel Glas und große Türen setzten“, so Vitelli – und damit einen Schlussstrich unter alte Yachtkonventionen zogen.

Andere Werften folgten. Ein besonders radikales Konzept lieferte Cristina Gherardi 2015 mit der Superyacht Savannah für Feadship. Gherardi hatte vorher als Architekturdirektorin bei Dior gearbeitet, Projekte für Armani Casa gestaltet. Neben technischen Innovationen (wie einem Hybridantrieb) bietet ihre Yacht nun eine teilweise unter dem Wasserspiegel liegende Lounge mit gläsernen Wänden, durch die sich vorbeischwimmende Fische beobachten lassen. Auch der Bespoke-Yachtbauer Oceanco, der Jeff Bezos und Steven Spielberg zu seinen Kunden zählt, engagiert im Rahmen seines NXT-Programms jetzt Designer aus anderen Branchen. Amer, ein kleineres Label der Permare Group, hat vom Mailänder Architekturbüro Palomba Serafini die 30-Meter-Yacht F100 Glass Cabin entwickeln lassen. Deren Charakteristikum: weite, bodentiefe Fensterfronten. 

Junge Reiche verändern den Yachtmarkt

Mit seinen Entwürfen für die Oasis-Serie von Benetti widersetzte sich das New Yorker Architekturbüro Bonetti/Kozerski vielen Konventionen.

Giovanni Costantino, Gründer von The Italian Sea Group (TISG), hat sich 2020 den absoluten Dickfisch unter den Designern geangelt: Giorgio Armani, selbst passionierter Yachteigner, kaufte nicht nur einen 4,99-prozentigen Unternehmensanteil, sondern sagte gleichzeitig zu, zwei 72 Meter lange Admiral-Megayachten zu gestalten. Eine davon wird nun im kommenden Jahr auf der Monaco Yacht Show vorgestellt. Markennamen bekannter Designer sprächen eine neue Schicht von Käufern an, glaubt der nautische Architekt Philippe Briand: „Die Leute kaufen heute ihre Yachten mit der gleichen Haltung wie ein Luxusauto. Anders als die Eigner früherer Generationen sind sie keine Yachtprofis mehr. Sie sind einfach Konsumenten.“ Dadurch nimmt auch die Nachfrage weiter stark zu: 1203 Superyachten befanden sich 2023 im Bau, doppelt so viele wie noch zehn Jahre zuvor. Branchenkenner rechnen mit einem weiteren kräftigen Plus, verweisen als Begründung auf die stark steigende Zahl von Multimillionären – und auf einen demografischen Faktor: „In der Vergangenheit waren reiche Leute meistens über 50 Jahre alt“, sagt Antonio Rodriguez, einer der Designer der Azimut-Seadeck- Serie. „Heute gibt es einen Boom junger Reicher, vor allem in Asien.“

Der kanadische Yachtdesigner Gregory C. Marshall sagt, dass viele seiner jüngeren Kunden „null Interesse an klassischen Superyacht-Konventionen haben. Sie sind mit Rucksack und Surfbrett unterwegs, fragen sich eher, wie viele Wassersport-Gadgets an Bord Platz haben.“ Ihre Funktion als Statussymbol hat die Superyacht aber trotzdem nicht verloren; kaum jemand kauft solche Boote allein aus Liebe zur Seefahrt: „Wer einfach nur das Meer liebt, bevorzugt in der Regel ein Segelboot“, sagt Rodriguez. Zu Wasser? An Land? Für die neuen Superyacht-Eigner spielt diese Unterscheidung keine große Rolle mehr. Sie betrachten ihre Boote als schwimmende Villen – deren Gestaltung sie deshalb immer öfter ihren Lieblingsarchitekten anvertrauen. So wie bei dem Schiff, das Roberto Palomba für Amer entworfen hatte: Der Kunde, auf den der Auftrag zurückging, hatte Palomba bereits mehrere Projekte an Land anvertraut. Er mochte meinen Stil, wollte meine kreative Handschrift auch auf seiner Yacht umgesetzt sehen“, sagt Palomba.

Branchenoutsider stehen für subtilen Luxus

Futuristisch: Die virtuelle Kommandozentrale des Designkonzepts Pure von Feadship.

Die Entwürfe von Gestaltern aus anderen Branchen sind meistens offener, leichter und klarer als die der klassischen Yachtdesigner. So berichtet Giorgio Armani, dass er sich bei seiner Arbeit für TISG von den klaren Linien militärischer Schiffe inspirieren hat lassen. Tender und andere typisch nautische Elemente, die die Optik vieler älterer Boote prägen, sind an Bord der von ihm gestalteten Yachten nicht mehr zu entdecken. Das Dekor seiner Innenräume ist subtil luxuriös, erinnert an das Flair eines legeren Maßanzugs. Enrico Bonetti, Mitbegründer des New Yorker Architekturbüros Bonetti/Kozerski, gestaltete die Oasis-Serie von Benetti, besichtigte zuvor viele konventionelle Yachten. „Die Innenräume waren dort sehr starr angelegt – mit Möbeln, auf denen kein Mensch sitzen würde, und mit vielen verspielten Elementen.“ Seine eigenen Entwürfe setzen nun auf eine ganz andere Philosophie: „Wir haben die Räume geöffnet, verwenden durchgehend die gleichen Materialien, Texturen und Farben. Damit erzeugen wir ein Ambiente von subtiler Raffinesse.“

Auch Antonio Rodriguez geht es um Reduktion. „Ich verzichte auf alles, was verzichtbar ist“, sagt er. Konkret bedeutet das: kein Protz, weniger Gold, weniger Marmor. Das, so Rodriguez, sei der neue, wahre Luxus. Verwendet würden nur noch Materialien, die es wirklich braucht. Zu den Materialien, die heute verstärkt zum Einsatz kommen, gehört definitiv Glas. „Wir haben jetzt die Möglichkeit, sehr große, auch strukturell tragende Glaselemente herzustellen“, sagt Gregory C. Marshall. Die Superyacht Artefact, die er mit seinem Büro entwickelt hat, bringt vielleicht mehr Glas aufs Wasser als jedes andere Boot derselben Klasse. „Wozu sollte ich denn noch Aluminium verwenden, wenn Glas heute tatsächlich stärker ist?“, fragt er. Neben solchen technischen Fortschritten wirkt sich auch das Thema Nachhaltigkeit auf den neuen Stil im Yachtdesign aus.

Widerstand bei der technischen Umsetzung

Offene Räume und bodentiefe Fensterfronten gibt es auch im Hauptsalon von Benettis Motopanfilo 37M. 

Für die Innenräume von Azimuts Seadeck-Serie verwendete Antonio Rodriguez nur recycelte oder recycelbare Materialien – darunter einen Teppich aus alten Fischernetzen, den Giovanna Vitelli als „haptisch sehr angenehm, vom Gefühl her wie Seide“ beschreibt. Manchmal werden die neuen Impulse der branchenexternen Designer auch kritisch beurteilt – vor allem von den technischen Teams, die mit ihrer Umsetzung beauftragt sind. „Ich sehe jetzt viele Yachtkonzepte, die letztlich nicht aufgehen, weil sie zu sehr von der Innenarchitektur her gedacht sind“, sagt der Schiffsarchitekt Philippe Briand. Vor allem auf Social-Media-Kanälen sei so etwas oft zu beobachten: „Da posten junge Designer ihre Renderings. Aber meistens ist das reines Marketing, mit echten Booten hat das wenig zu tun“, so Briand. Als Beispiel nennt er sehr tiefe, knapp über dem Wasserspiegel liegende Beachclubs. „Auf den Renderings gibt es kaum Wellengang; so sieht das dann super aus. Doch wenn die See nur etwas unruhiger wird, ist der Beachclub nicht mehr zu gebrauchen. Im Alltag funktionieren viele dieser Konzepte einfach nicht.“

Paris Baloumis, Marketingdirektor bei Oceanco, spricht von „Frust auf beiden Seiten“. Bei branchenexternen Designern fehle oft das Verständnis dafür, welche Dinge wirklich nicht umsetzbar seien. Andererseits habe sich die Yachtbranche einfach zu lange abgeschottet, auf zu starren Konventionen beharrt. So berichten Enrico Bonetti und Roberto Palomba von erheblichen anfänglichen Widerständen gegen ihre Ideen für Amer und Benetti. Letzterer habe den Hersteller „geradezu zwingen müssen, größere Fenster zu beschaffen“, Ersterer hörte immer wieder von „den Regeln“, die er bräche, etwa weil er keinen dauerhaft eingedeckten Esstisch im Hauptsalon vorsah. „Ich glaube, es hat uns geholfen, diese Regeln gar nicht erst zu kennen“, sagt er.

Kritik von klassischen Yachtdesignern

Klassische Yachtdesigner kritisieren Boote, bei denen die Funktion unter der Form zu leiden hat, nennen Norman Fosters Arbeit für YachtPlus als Negativbeispiel. Diese Yacht solle nicht so einfach funktionieren. Schon bei alltäglichen Dingen wie dem Anlegen hätte man mit der Konstruktion Schwierigkeiten. Manches, was sehr clever aussieht, sei eben nur begrenzt mit der Kernnutzung eines Schiffs vereinbar. So etwas hört man immer wieder. Foster-Partner Angus Campbell entgegnet solchen Kritikern, dass es damals bewusst um Innovation gegangen sei, dass man ein gestalterisches Zeichen gesetzt, gezielt Radikalität über nautische Funktionalität gestellt habe. „Wir wollten die Grenzen überschreiten, Konventionen brechen. So funktioniert Innovation!“

Gregory C. Marshall, der Architekt der Artefact, freut sich letztlich über die kreativen Reibereien, die entstehen, wenn Designer aus anderen Branchen mit nautischen Ingenieuren aneinandergeraten. „Jede Disziplin steht im Konflikt mit allen anderen“, sagt er. „Die Ingenieure halten die Ideen der Designer für realitätsfern, und die Designer werfen den Ingenieuren später vor, ihre brillanten Konzepte geschlachtet zu haben. Wir drehen uns also eine ganze Weile im Kreis – so lange, bis wir ein gutes Gleichgewicht erreicht haben. Das ist dann wirklich gutes Yachtdesign.“