Eine Genussreise nach Istrien
Istrien hat einen unschlagbaren Vorteil: Alles ist in der Nähe. Immer und überall. Der nordwestliche Zipfel von Kroatien, eine Halbinsel, ist gleichzeitig winzig klein und riesengroß. Kaum 100 Kilometer misst sie von Norden nach Süden. Auf diesem kleinsten Raum aber findet man kulinarisch und landschaftlich so viel wie auf fast keinem anderen Fleck in Europa. Und das auf mitunter höchstem Niveau. „Wir sind ein fantastischer Mix aus Toskana und Côte d’Azur, aber keine Party-Destination“, sagt Peter Lösch, General Manager eines der derzeit wohl schönsten Hotels der Region, des Grand Park in Rovinj. Schon wenige Kilometer nach der slowenischen Grenze gelangt man über kurvenreiche und schmale Straßen nach Ipši. Der Name ist so drollig wie das Örtchen klein. 18 Einwohner hat es, zwei davon sind Klaudio und Ivan Ipša, Vater und Sohn, die für viele Experten eines der besten Olivenöle der Welt herstellen. Neben anderen istrischen Lokalmatadoren wie Mate, Olea, Chiavalon oder Zigante. Achtmal in Folge wurde Istrien laut der Olivenöl-Bibel Flos Olei zur besten Anbauregion gekürt, noch vor der Toskana und Andalusien. Allein 57 istrische Ölmühlen landeten zuletzt unter den Top 500.
Ipši lockt mit unverbauten Landschaften
Ein erstaunlicher Aufstieg, denn erst in den 1990er-Jahren wurden die jahrhundertealten Strukturen ausgebaut. Gab es damals gerade mal um die 100.000 Olivenbäume, so sind es heute 1,8 Millionen. Wo zuvor nur für den Hausgebrauch und den lokalen Wochenmarkt produziert wurde, begann man nun, ein immer besser werdendes Produkt auch besser zu vermarkten. „Zuvor füllte das Öl ja niemand in Flaschen ab oder klebte gar Etiketten drauf“, erinnert sich Denis Ivošević, der istrische Tourismusdirektor, der vor gut 30 Jahren auch schon handfest anpackte und das istrische Wunder mit anschob.
Ipši, das Minidorf, ist typisch für das Landesinnere mit seinen dichten grünen Wäldern und Dörfern und Städten, die oben auf Hügel gestreut sind wie Puderzucker auf den Kuchen. Und die kaum verschandelt sind durch Hoch- und Neubauten oder gar Industrie. Nur in manchen Neubauvierteln größerer Orte finden sich ein paar rein zweckmäßige Bauten. Aber sonst – egal, wohin man schaut – fast nur harmonisches Miteinander von Landschaft und Häusern. Und noch etwas fällt auf: kaum Verkehr und kaum Verkehrsschilder. Hier kann man sogar entspannt Auto fahren. Zumal man dabei binnen kurzer Zeit auf völlig unterschiedliche Kulturräume stoßen kann. Denn das Meer ist immer nur wenige Serpentinenkurven entfernt.
Malvazija ist der beliebteste istrische Wein
Die Weingüter haben sich in den letzten drei Dekaden ebenso entwickelt wie die Ölmanufakturen. Klaudio Tomaz eröffnete in Motovun im September 2023 ein neues repräsentatives Gebäude, wo man, wie es sich hier gehört, bei der Verkostung ein sattgrünes und unverbautes Tal überblicken kann. Familie Kozlović in Buje stellt seit vier Generationen, respektive seit 1904, Wein her. Immer kamen neuere und größere Gebäude hinzu, die sich aber stets friedlich anschlossen. Das neueste ist quaderförmig mit kreuz und quer geschmiedeten Streben, ein Design, das man auf den Flaschen wiederfindet. Es passt sich schon deshalb in die Landschaft ein, weil oben auf dem Dach Gras, Rosmarin, Olivenbäume und Lavendel wachsen.
Der Blick von hier ist schon fast unverschämt schön, mit Weinbergen links und rechts und einer Burgruine gegenüber. Der Betrieb selbst befindet sich unter den Füßen der Besucher, ragt nur in die Tiefe und ins Innere des Berges. Das verschandelt die Landschaft nicht, und durch das natürliche Gefälle muss der entstehende Wein nicht irgendwohin gepumpt werden. „Das ist natürlicher und besser für den Wein“, sagt Antonella Kozlović, die zusammen mit ihrem Mann Gianfranco das Gut führt. Der Malvazija ist übrigens der beliebteste istrische Weißwein, sein rotes Pendant, der Teran, wird nicht minder geschätzt. Die wichtigsten Winzer sind neben Kozlović oder Tomaz die Winzerkollegen Mladen Rožanić (Roxanich), Ivica Matošević oder Marko Fakin.
Von Agrotourismus bis Sterneküche
Von hier bis ins hinterste Hinterland sind es knapp 21 Kilometer. Bei Agroturizam Tončić in Oprtalj angelangt, ist der Ausblick über die grüne und gewellte Landschaft, wir wiederholen uns, natürlich sensationell. Die Straße endet hier, mehr abseitige Stille geht kaum. Die Spezialität von Sandro Tončić ist der Pršut, auch eine istrische Spezialität, ähnlich dem Parma- oder San-Daniele-Schinken. Den stellt er komplett selbst her, angefangen bei der Schweineaufzucht im Stall nebenan. Aber auch was sonst auf der Karte des Restaurants steht, ist aus Eigenproduktion. Die Kartoffeln, die Paprika, die Tomaten. Das Brot, die Pasta, der Wein. Dazu Fleisch von Schafen, Hühnern und Schweinen. Auch Trüffel sucht Tončić selbst, er hat zwei Trüffelhunde. Erst nach dem wunderbar deftigen Essen fällt auf: „Den Zucker für den Kaffee machen wir nicht selbst“, sagt Sandra Tončić, die Frau von Sandro, die mit der Mama und der Schwägerin alles kocht. Deshalb öffnen sie auch nur von Freitag bis Sonntag, an den restlichen Tagen wird vor- und zubereitet.
Den Kontrapunkt in der Kulinarik bieten Sternerestaurants wie das futuristische Agli Amici an der Hafenpromenade von Rovinj, wo der italienische Zwei-Sterne-Chefkoch Emanuele Scarello die Aromen des Meeres und der Landschaft einfangen will und deshalb interessante Geschmackskombinationen erfindet: Spaghetti mit Meereskräutern, Muscheln mit Algen und Zucchini, marinierter Kabeljau mit Seeanemonen und Zwiebeln. Wem das dann doch zu gewagt scheint, der findet Sterneküche auch an anderen Orten Istriens, natürlich auch nie weit entfernt: Das Monte in Rovinj war 2017 das erste in Kroatien überhaupt mit einem Michelin-Stern. Im Stara Škola in Buje, das in einem alten Schulhaus untergebracht ist, teilt man sich das Essen am Tisch. Einige Toprestaurants sind in Spitzenhotels integriert, wie das Luciano (im San Canzian in Buje) oder das Cap Aureo (im Grand Park Hotel in Rovinj).
Istrien schmeckt nach Fisch, Wein und Trüffeln
Das fehlende Zwischenstück, das rustikale Küche und Fine Dining verbindet, ist Damir e Ornella in Novigrad, 36 Kilometer von den Tončićs entfernt. Das Lokal sieht innen aus wie ein Balkangrill aus den 1970er-Jahren. An der Wand hängen übertrieben farbenfrohe Bilder, schon die mit schiefen und angenagten Aufklebern bedeckte Eingangstür in einer schäbigen Seitengasse erinnert eher an Kaschemme als an Haute Cuisine. Aber hat man sich mal an das Ambiente gewöhnt und an die jovial-grantige Art von Chefkoch Damir Beletić, dann erwartet einen hier istrisches Sashimi, von Beletić mit feiner Klinge vom fangfrischen Fisch vor den Augen der Gäste zurechtgeschnitten. Dazu reicht der Chef meist nur Salz, Zitrone und Olivenöl.
Istrien schmeckt also nach frischem Fisch, nach Wein und Olivenöl, nach Land und Meer. Und nach Trüffeln. Die sind auf dem Dry-Aged-Steak oder auf guter Pasta. Das Trüffelgebiet beginnt im Norden bei Buzet. Im Dörfchen Paladini, einem der bekanntesten Trüffeldörfer Europas, 43 Einwohner, 117 Trüffelhunde, ist seit Generationen die Familie Karlić ansässig. Sie hat sich auf die Trüffeljagd spezialisiert. Besucher finden hier das einzige Trüffelmuseum des Landes, ein Restaurant und können mit auf die Jagd gehen. Schon Großvater Karlić war ein Pionier der Trüffeljagd. Und ja, es heißt Jagd und nicht Suche. Wenn man Bubica und Lila beobachtet, die im Zickzack durch das dichte Unterholz des Waldes pflügen, die Nasen nur Millimeter über dem feuchten Boden, dann weiß man: Es ist tatsächlich eine Jagd.
Große Hotelinvestition in Rovinj
Bubica und Lila sind übrigens Trüffelhunde, jeweils zwei darf ein Jäger einsetzen. Dazu trägt er ein Schäufelchen bei sich, denn sobald ein Hund etwas gefunden hat, beginnt er, wie wild zu buddeln. Dann muss der Jäger den Hund wegziehen, den Trüffel gräbt er dann selbst behutsam aus. Die Jagd ist mühsam. Eine Stunde vergeht, zwei Stunden, aber Bubica rennt erfolglos durchs Unterholz. Sie ist ein Lagotto Romagnolo, mit lockigem Fell, und sie sieht nach der Jagd aus wie ein Bettvorleger, den man durch den Matsch gezogen hat. Die ideale Rasse für die Trüffelsuche. Gute Hunde kosten bis zu 15.000 Euro.
Nur 56 Kilometer sind es von hier nach Rovinj, die „Perle der Adria“ genannt. Und so eine Perle gilt es einzufassen, wie das etwa im Grand Park Hotel passiert. Betritt man das Foyer, blickt man unweigerlich auf eine Fensterfront, die fast die komplette Breite des Hotels und zwei Etagen abdeckt. Das postkartenidyllische Panorama hinter dieser Scheibe ist die Altstadt von Rovinj, samt davor liegender Bucht mit Inselchen und blauem Meer. Der Bau selbst ist komplett in den Hang integriert, sticht kaum hervor. Der Österreicher Peter Lösch ist als General Manager unter anderen für dieses Hotel zuständig. Im April 2019 eröffnete es nach mehrjähriger Bauzeit und war damals die größte Hotelinvestition auf dem Kontinent. Und noch immer ist Lösch begeistert. „Es dürfte schwer sein, in Europa etwas Vergleichbares zu finden“, sagt er.
Neue Designkonzepte für alte Gebäude
Ein weiteres gängiges Hotelkonzept neben der harmonischen Integration von Neubauten in die Landschaft ist die Umnutzung bestehender Gebäude. Seien es vormalige Weingüter, die jetzt Hotels sind, wie das Meneghetti in Bale. Mitten in Weinbergen gelegen und gleichzeitig nur fünf Kilometer vom Meer entfernt. Oder eine mittelalterliche Festung, in deren einzelnen Häuschen nunmehr 24 Zimmer und Suiten untergebracht sind wie im San Canzian Village & Hotel in Buje. 16 Kilometer nordöstlich von Rovinj in Kanfanar hat Emil Sošić auch an diesem Morgen wenig Zeit zu plaudern. Gerade kommt er mit dem Boot zurück, trägt kurze Hosen, Gummistiefel und eine alte Basecap. Seit gut 20 Jahren züchtet er Austern, im Limski-Kanal, der vom Meer ins Landesinnere reicht und wo sich Meer- und Süßwasser mischen, was seine Muscheln bestens gedeihen lässt. Bald kommen die ersten Kunden, um im holzbarackenartigen Charme der in den Kanal gebauten Station Austern zu schlürfen, die frischer kaum sein könnten. Kaum 30 Minuten ist es her, dass Sošić sie aus dem süßsalzigen Wasser geholt hat.
Die Austern werden im November ausgesetzt und nach drei Jahren geerntet. Zwischendurch müssen sie gehegt und gereinigt werden, ein Knochenjob. Deshalb ist Sošić der Einzige weit und breit, der ihn macht. Aber es lohnt sich auch, denn wer gute Austern will, dem ist der Preis relativ egal, „denn dafür gibt es immer einen Markt“. Er hat Ökonomie studiert, er kann Austern, und er kann Business. Heute sind schon zur Öffnungszeit um elf Uhr zwei Paare da. Dann zieht sich Sošić die Gummischürze an und bereitet die Austern zu. Manche lassen sich auch mit dem Boot und Champagner in der Kühlbox raus zu den Zuchtanlagen fahren. Noch frischer geht es dann wirklich nicht mehr. Und so schmeckt Istrien sogar leicht salzig, nach Austern.
Der Beitrag wurde in Zusammenarbeit und mit freundlicher Unterstützung des Tourismusverbands Istrien erstellt. Dabei wurden die Standards der journalistischen Unabhängigkeit gewahrt.