Was macht Schmuck von Piaget so wertvoll?
Dass „bigger“ nicht zwangsläufig „better“ sein muss, dass ein „perfect match“ ein „mismatch“ sein und dass Raffinesse vor Gewicht gehen kann, dafür ist Piaget ein Paradebeispiel. Für Einsteiger in die Welt der Haute Joaillerie, die hohe Juwelierkunst, die einmal pro Jahr von den großen Häusern präsentiert wird, mag das Haus eine Herausforderung sein. Für Kennerinnen und Kenner jedoch sind die Entwürfe des visuell provokanten Akteurs verlockend wie salziges Karamell. Piaget liebt eben die Verschmelzung von Gegensätzen: die Verbindung aus Vergangenheit und Gegenwart, aus Uhrmacherhandwerk und Juwelierkunst, aus der französischen Côte d’Azur, die für Inspiration sorgt, und dem Schweizer La Côte-aux-Fées, der Heimat von Piaget.
Inspiration aus der Haute Couture
Begonnen hatte dort alles im Jahr 1874, als Georges-Édouard Piaget seine Uhrenfirma gründete. Zunächst machte er sich mit Zeitmessern einen Namen. Einige Modelle verzierte er allerdings so reich, dass sie auf den ersten Blick Schmuckstücken glichen. Bald war Piaget auch bekannt für seine Parüren, aufeinander abgestimmte Schmuck-Sets. Den farbenfrohen Stil entwickelte das Unternehmen schließlich mit Valentin Piaget, Enkel des Markengründers, der 1957 das ultraflache Kaliber 9P mit Handaufzug vorstellte. Das Zifferblatt wurde dadurch größer, was mehr Raum für Kreativität ließ. Auch führte er die mittlerweile für das Haus ikonische Uhr an der Halskette sowie die Cuff Watch in Gestalt eines Armreifs ein. In den 1960er-Jahren schickte er sein Team nach Paris. Dort sollte es sich von der Haute Couture inspirieren lassen, die ähnlich aufwendig und exklusiv ist wie die Haute Joaillerie. Das Ergebnis war die 21st Century Collection, die damals für viel Aufmerksamkeit sorgte.
Bis heute haben der Pioniergeist von Valentin Piaget und seine 21st Century Collection nicht an Strahlkraft verloren. Ihre organischen Formen, asymmetrischen Designs und gewagten Edelsteinkombinationen wurden deshalb zum 150-jährigen Bestehen der Marke neu interpretiert. Dabei ging es auch darum, den Geist der Kollektion in die Gegenwart zu transportieren. Denn die Wünsche der Klientel von heute haben sich gewandelt, und die traditionelle Kundschaft der Haute Joaillerie ist einer neuen Kundengruppe gewichen: jüngere, digital versierte Käuferinnen und Käufer, die statt nach royalen Entwürfen nach einzigartigen Ausdrucksformen suchen.
Seltene Edelsteine machen Schmuck exklusiv
In der Konsequenz sind die Designs aus der 96-teiligen Jubiläumskollektion Essence of Extraleganza – auch das eine Verschmelzung aus den Worten extravagance und elegance– jung, farbenfroh, gewagt und: wandelbarer geworden. Manche der Schmuckstücke lassen sich auf bis zu neun unterschiedliche Weisen tragen. Wer viel Geld ausgibt, möchte schließlich Flexibilität geboten bekommen. Und die ist im Fall von Piaget wörtlich zu verstehen: Die Nähe zur Mode hat bewirkt, dass Edelmetalle weich gearbeitet werden wie Textilien. Tatsächlich gibt es viele Parallelen zwischen der Haute Couture und der Haute Joaillerie; beide stehen für das Beste an Kreativität und Materialien, sie halten alte Handwerkskunst am Leben und zeigen Ansätze, die unsere Vorstellungskraft oft übersteigen.
Doch die höchste Form der Schmuckkunst bietet auch eine greifbare Möglichkeit der Investition. Es liegt an ihrer Exklusivität. Sie geht vor allem aus der Seltenheit der Edelsteine hervor, die für sich allein bereits höchst wertvoll sein können. Und dass ein erlesenes Schmuckstück, sobald es verkauft wurde, nicht einfach ein zweites Mal gefertigt werden kann. Während ein Stoff für ein Kleidungsstück reproduziert werden könnte, muss ein Edelstein erst gefunden werden. Wie bei der Haute Couture stellt sich aber auch beim Schmuck die Frage, wo das Luxusprodukt aufhört und wo die Kunst beginnt. Bei Piaget lautet die Antwort darauf: immer für eine Überraschung zu sorgen.
Raffinierte Schliffe und ungewöhnliche Details
Das können ungewohnte Steinkombinationen sein. Oder Edelsteine, die unterschiedliche Schliffe vereinen. Und manchmal geht es schlicht darum, das Maximum an Ästhetik aus einem Stein herauszuholen, auch wenn er dafür an Gewicht einbüßen muss. Das bedeutet, dass große Steine nicht selten von Piaget neu geschliffen werden, um ihre Farbe, einen optischen Effekt oder eine Maserung hervorzuheben. Das Gewicht allein hat keine Priorität. Sondern immer die Perfektion. Für einen von Piaget häufig verwendeten Marquise-Schliff beispielsweise geht im Vergleich zu anderen Schliffen viel mehr vom Rohmaterial verloren. Den fragilen Smaragd zu runden Perlen zu schleifen ist ebenfalls eine wenig gängige Vorgehensweise, die nach einer ausgesuchten Qualität verlangt. Es ist das Wissen um Details wie diese, die aus einem Schmuckstück ein Juwel – und auch ein Investment Piece – werden lassen.
Und doch wird ein Haute-Joaillerie-Schmuckstück immer mehr sein als bloße Wertanlage. Diese Sicherheit kommt aus einer Zeit, als Schmuck in erster Linie Mittel zur Distinktion war, zum Schutz vor Unglück und Krankheit oder als Symbol für Stärke, Reichtum oder Liebe getragen wurde. Dieses leidenschaftliche Relikt aus der Vergangenheit übersteigt unseren heutigen Intellekt. Was zurückbleibt, ist Emotion, pures Verlangen, ein privates Vergnügen, das man mit keinem Geld der Welt aufwiegen kann.