Das Geschäft mit Vintage-Uhren
Gebrauchtkauf, das klingt nach Sparsamkeit, Vernunft – und ein bisschen nach Verzicht. Reizvoll klingt es nicht. Das galt lange auch für den Armbanduhrenmarkt; er war klar zweigeteilt: Die einen – und weit meisten – kauften ihre Zeitmesser neu beim Juwelier, wären niemals auf die Idee gekommen, Gebrauchtes zu erwerben. Die anderen suchten gezielt und keineswegs wegen des geringeren Preises nach historischen Stücken, schlugen bei Auktionen zu, besuchten Sammlerbörsen und den lokalen Antikuhrenhändler ihres Vertrauens. Neuware interessierte sie kaum.
Der Markt für Vintage-Uhren wächst
Seit ein paar Jahren aber verschmelzen diese beiden Welten – aus einem ganzen Bündel von Gründen. Die großen Marken verweisen immer wieder auf ihre lange Geschichte und dokumentieren sie mit Neuauflagen ihrer Klassiker. Eine über Jahre anhaltende Welle von Retro-Modellen und der Aufbau wirklich sehenswerter Firmenmuseen werden auch die Begehrlichkeit nach historischen Originalen gesteigert haben. Und der wachsende Markt für Vintage-Uhren (die Boston Consulting Group prophezeite ihm gerade für 2026 einen Anteil von 35 Prozent am weltweiten Luxusuhrengeschäft von umgerechnet 91,7 Mrd. Euro) hat auch ganz profane Seiten, ist weniger lust- als spekulationsgetrieben. So richtig befeuert und zeitweise überhitzt wurde er, als in Niedrigzins- und Coronazeiten die Nachfrage nach bestimmten klassischen Modellen deren Lieferbarkeit bei Weitem überstieg und der Preis für gebrauchte Exemplare den Listenpreis für neue weit überragte. Und mit den Kosten stieg natürlich auch die Sorge vor Fälschungen und wertmindernd „verbastelten“ Werken, deren Qualität der Laie kaum einzuschätzen mag.
So erkennt man die Authentizität
Die Antwort des Handels heißt CPO – certified pre-owned. Der Händler bestätigt nach eingehender Prüfung durch erfahrene Uhrmachermeister die Authentizität der angebotenen Uhr und verschafft dem Kunden Sicherheit bei Erwerb und Wiederverkauf. Eingeführt haben das Prinzip auf den Vintage-Zeitmesser spezialisierte Händler, am überzeugendsten umsetzen aber können es die Hersteller, von denen jetzt mehr und mehr ins CPO-Geschäft einsteigen. Niemand kann besser als die Manufaktur die Echtheit einer Uhr überprüfen – auch anhand historischer Unterlagen in ihren Archiven –, historische Stücke sachgerecht warten, reparieren und restaurieren wie neu.
Manche Traditionshäuser halten Abertausende von jahrzehntealten Ersatzteilen parat oder verfügen über die Werkzeuge zu deren Herstellung. Noch sind diese Kollektionen klein, manch ein Programm wirkt wie im Versuchsstadium. Auf jeden Fall sorgt das Angebot für Kundenbindung, sind sich die Marken sicher, und: Es mache Neu- zu Gebrauchtkäufern und umgekehrt. Dafür stellen die Manufakturen die Uhren nicht nur auf die Website, sondern präsentieren sie auf internationalen Tourneen oder geben zu den raren Stücken opulente Bildbände heraus. Und spätestens da klingt „Gebrauchtkauf“ kein bisschen nach Verzicht.
Welche Marke macht was wie?
Rolex vertreibt seit dem vergangenen Dezember über ausgewählte Fachhändler von ihm restaurierte und als authentisch zertifizierte Uhren, zu erkennen am Rolex Certified Pre-Owned-Siegel.
Icons heißen die historischen Stücke, die Zenith auf seiner Website und auf internationalen Tourneen anbietet. Die Zusammenstellung des Angebots soll auch das Augenmerk auf einzelne Aspekte der Markengeschichte lenken.
In seinem Programm Les Collectionneurs bietet Vacheron Constantin nur Historisches an: Taschenuhren von 1910 bis 1930 sowie Armbanduhren bis 1970. Vorgestellt werden sie bei Veranstaltungen in den Boutiquen der Manufaktur.
Seit Longines in seiner Collector's Corner historische Stücke anbietet, beantragen immer mehr Sammler kostenpflichtige Stammbuchauszüge aus dem umfassenden Archiv der Marke.
Gerade hat auch Jaeger-LeCoultre eine erste kleine, aber feine Kollektion von CPO-Uhren angeboten: The Collectibles. Auch sie gingen auf internationale Tournee; zu sehen sind sie dazu in einem üppig ausgestatteten Bildband.