Superheld aus massivem Gold von Audemars Piguet
François-Henry Bennahmias, der CEO von Audemars Piguet, spricht im Interview über den gigantischen Erfolg der Royal Oak, limitierte Stückzahlen und die neue Kooperation mit Marvel Entertainment.
Noch ist es ziemlich genau ein Jahr hin, aber bei Audemars Piguet (AP) steht das bedeutende Jubiläum sozusagen vor der Haustür. Angesprochen auf den 50. Geburtstag der Royal Oak reagiert François-Henry Bennahmias augenzwinkernd aber bestimmt. „Ich habe keine Ahnung, um was es geht.“ Schließlich lässt der CEO des altehrwürdigen Familienunternehmens aber doch noch wissen: „Was ich über das nächste Jahr sagen kann, ist, wenn die Leute unsere Kollektion 2021 mögen, werden sie diese des Jahres 2022 lieben und verehren.“ Weitere Fragen lässt der lässig auftretende Franzose nicht zu. Ihm verdankt die 1875 gegründete und in den 1960-er Jahren heftig leidende Uhrenmanufaktur den wohl rasantesten Aufstieg Ihrer Geschichte. Und der wiederum ist größtenteils auf die 1972 lancierte Luxusuhr mit sportlichem Touch zurückzuführen.
2019 gelang Audemars Piguet das ersehnte Entrée in den Club der Umsatzmilliardäre unter den eidgenössischen Uhrenherstellern. 2020 war Platz sechs in deren Ranking zu verzeichnen. Aktuell generieren bei Audemars Piguet etwa 40.000 Armbanduhren mit einem Durchschnittspreis von etwas mehr als 34.000 Franken gut 1,12 Milliarden Franken Umsatz. Bedingt durch die Fokussierung auf das absolute Luxussegment liegt der Marktanteil bei ungefähr 4,3 Prozent.
Dass sich unter den Top sieben des Schweizer Luxusuhren-Business gleich vier konzernfreie Unternehmen befinden, führt François-Henry Bennahmias auf deren Agilität zurück. „Wenn man sich anschaut, was heute vor sich geht, sind die erfolgreicheren Unternehmen da draußen heutzutage alle unabhängig. Die höhere Agilität ist darin begründet, dass wir schneller entscheiden können. Wir umgehen viele Prozesse, welche es in den großen Gruppen braucht. Hinzu gesellt sich die Möglichkeit viel stärker zu zeigen, wofür wir stehen. Nach 27 Jahren bei Audemars Piguet kann ich konstatieren, dass viele meiner Ideen im Zuge der prozessualen Abläufe großer Konzern-Unternehmen irgendwann gestorben wären.“
Folglich fühlt sich der in jeder Hinsicht höchst unkonventionell auftretende CEO bei Audemars Piguet ausgesprochen wohl. Hier wird sein kreativer, zupackender, bisweilen auch nassforscher Auftritt sehr geschätzt.
Das Fundament des gegenwärtigen Erfolgs ist allerdings Georges Golay zu verdanken, einem der Vorgänger von Bennahmias. Bei ihm hatte 1971 der italienische AP-Agent Carlo de Marchi um die Kreation einer Armbanduhr mit möglichst universalem Anspruch gebeten: elegant, sportlich, aber trotzdem luxuriös. Auf der Yacht sollte sie ebenso „Bella Figura“ machen wie im Konzertsaal oder in der Bar. Stahl als Gehäuse- und Bandmaterial war herzlich willkommen. Konfrontiert mit der größten Herausforderung seines Lebens entwickelte er zusammen mit Gérald Genta ein intern zunächst „Safari“ genanntes Modell.
Als die schließlich Royal Oak getaufte Armbanduhr 1972 debütierte, lag ein Erfolg angesichts des Preises von 3.650 Schweizerfranken und der nicht minder stattlichen 39 Millimeter Durchmesser in weiter Ferne. Aber Golay ließ sich nicht beirren. Nach Auffassung von François Bennahmias brachte der Kaufmann „eine wichtige Außensicht in das bis dahin weitgehend uhrmacherisch geprägte Familienunternehmen. Er drängte darauf, das Risiko namens Royal Oak einzugehen, weil der italienische Markt sehr, sehr sicher war, dass diese Uhr ein Erfolg werden wird.“
Zeitweise trugen besagte „Royal Oak“ und ihre Derivate, darunter die 1993 lancierte, von Gérald Genta spöttisch „Walross“ getaufte und von Arnold Schwarzenegger in die Welt des großen Kinos getragene „Offshore“ bis zu 90 Prozent zum Firmenumsatz bei. Bedingt durch das beherzte Handeln von François Bennahmias sind es inzwischen nur noch etwas mehr als 80 Prozent. Einen Beitrag zur Schmälerung dazu leistet die 2019 eingeführte Linie „Code 11.59 by Audemars Piguet“. Diese runde Armbanduhr polarisiert gewaltig, bringt Bennahmias aber nicht von seinem Kurs ab. Er, dem ursprünglich eine Karriere als Profigolfer vorschwebte und der diesbezüglich in seinem Heimatland schon auf Rang 25 emporgeklettert war, weiß um die Bedeutung eines festen zweiten Standbeins.
Andererseits drängt ihn der weltumspannende Royal Oak-Erfolg nicht zur Eile. „Von 2007 bis 2010 verkauften wir mehr Offshores. Das änderte sich ab dem 40. Jubiläum im Jahr 2012. Heute verkaufen wir 60 Prozent klassische Royal Oaks und 40 Prozent Offshores.“
Eigentlich müsste es verteilen heißen, denn speziell für das erste Stahlmodell 15202ST mit Beinamen „Jumbo“ stehen die Interessenten förmlich Schlange. In der 39-Millimeter-Schale tickt weiterhin das mittlerweile jedoch gründlich optimierte und in eigener Manufaktur gefertigte Automatikkaliber 2121. „Im Jahr 2011“, so Bennahmias, „gab es mit Italien und Deutschland nur noch zwei Länder auf der Welt, in der sie sich gut verkaufte. Der 40. Jahrestag verlieh der Uhr viel mehr Glaubwürdigkeit und Legitimität. Fortan entwickelte sich der Absatz wie verrückt. Trotzdem wollen und werden wir jährlich nicht mehr als tausend Exemplare produzieren."
Beschränkung ist ein wichtiger Teil des Erfolgsrezepts. Trotz steigender Nachfrage legte sich Bennahmias 2015 auf eine Jahresproduktion von 40.000 Zeitmessern fest. „2020 wollten wir auf 45.000 Stück klettern. Durch das Coronavirus haben wir zwei Produktionsmonate verloren und nur 39.000 Uhren verkauft. Für 2021 werden wir 42.000 herstellen“.
Das von vielen Mitbewerbern exerzierte Schielen auf China macht Bennahmias nicht mit. „Wir verkaufen unsere Uhren sehr gut auf der ganzen Welt, auch in den USA. Wenn man sich die großen Modemarken anschaut, machen die erfolgreichen 20 Prozent oder mehr von ihrem Geschäft in Amerika. Hingegen haben einige Uhrenmarken in Asien 60, 70 oder gar 75 Prozent und weniger als 10 oder 8 Prozent in Amerika. Das funktioniert nicht. In diesem Zusammenhang blicke ich nochmals auf die vier wichtigsten unabhängigen Uhrenmarken. Alle machen mehr als 20 Prozent des Geschäfts in den USA.“
Böse Blicke und teilweise auch Häme erntete Bennahmias mit einem weiteren Aspekt seiner Beschränkungs-Strategie. Und der bestand in einer radikalen Veränderung des Vertriebsnetzes weg vom traditionellen Fachhandel hin zu Monobrand-Boutiquen und den so genannte AP-Houses, davon eines in München.
Die Gründe nennt der CEO höchst unverblümt: „Wir leben in einer Welt, in der es unmöglich ist, seine Kunden nicht persönlich zu kennen. Wenn man einen Händler dazwischenschaltet, lässt sich das nicht bewerkstelligen, weil man ihn nicht legal nach den Käuferinnen und Käufern befragen kann.“ Strikt von der Hand weist Bennahmias die da und dort geäußerte Behauptung, er habe alten Fachhandelspartner kurz entschlossen gekündigt. „Ganz im Gegenteil. Wir haben einigen unserer Top-Händler in der Welt langfristige Partnerschaften angeboten“.
Kraftpaket: Die neue Royal Oak Concept „Black Panther“ ehrt die Superhelden von Marvel Entertainment.
Auch die in der Uhrenwelt heftig diskutierte Corina-Krise ficht den CEO wenig an. „Die Gemeinsamkeit der konzernfreien Marken wie AP und Richard Mille besteht darin, dass sie ihre Stückzahlen in völlig eigenem Ermessen kontrollieren. Wenn Sie hingegen ein börsennotiertes Unternehmen sind, müssen Sie Wachstum zeigen, egal was draußen passiert. Und wenn das Wachstum durch Stückzahlen generiert wird, stecken Sie fest. Je mehr man produziert, desto zurückhaltender reagieren die Leute. Und darin besteht das Problem.“
Nur sehr begrenzte Stückzahlen wird es schließlich auch von jenen Armbanduhren geben, welche Audemars Piguet ab 2021 zusammen mit dem 1939 in Amerika gegründeten Unternehmen Marvel Entertainment auflegen wird. Diese Zusammenarbeit soll auch eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Bennahmias schwebte sie schon zu Zeiten vor, als er noch die Nord-Amerikanische Niederlassung leitete. „Vor 15 Jahren begab ich mich erstmals zu Marvel. Geleitet von der Erkenntnis, dass bereits in den 1930er Jahren Mickey Mouse-Charaktere auf Uhren zu sehen waren. Und in den 1980er Jahren platzierte sie Gérald Genta auf Zifferblättern. Also sagte ich mir, dass es da tradierte Zusammenhänge gibt. Geleitet von der Frage, welche Menschen heute dahinterstecken, suchte ich Marvel in New York auf.“
Funktionen
Fliegendes Tourbillon, Stunden und Minuten.
Gehäuse
Gehäuse aus sandgestrahltem Titan mit satinierten Titan-Einsätzen, Lünette und Krone aus schwarzer Keramik, entspiegeltes Saphirglas und entspiegelter Saphirglasboden, wasserdicht bis 50 Meter.
Zifferblatt
Handgemalte 3D-Black Panther-Figur aus Weißgold, violetter Höhenring, Stundenmarkierungen aus Weißgold mit schwarzer PVD-Beschichtung, Royal-Oak-Zeiger aus Weißgold mit Leuchtbeschichtung.
Armband
Violettes Kautschuk-Armband mit AP-Faltschließe aus Titan. Zusätzliches Armband aus schwarzem Kautschuk.
Weil Audemars Piguet damals noch weit von seiner heutigen Marktstärke entfernt war, bekam Bennahmias die kalte Schulter zu sehen, verlor Marvel aber dennoch nicht aus den Augen. „2017 war ich mit meiner Frau in Paris. Dort trafen wir Don Cheadle, den seit elf Jahren kenne. Weil er einer der Marvel-Darsteller ist, teilte ich ihm meine diesbezüglichen Erfahrungen und meine Ideen mit.“ Das Gesagte fiel auf fruchtbaren Boden. Und so schlug Don Cheadle vor, einen seiner Freunde anzurufen. Wer denn dieser Freund sei, wollte Bennahmias wissen. Es war kein Geringerer als Kevin Feige, der Marvel-CEO. „Drei oder vier Wochen später trafen wir uns in Los Angeles. Und dann gestalteten sich die Dinge plötzlich ganz einfach. Innerhalb kurzer Zeit war der Deal eingefädelt.“
Das erste Modell einer auf Langfristigkeit ausgelegten Kooperation hat den Namen Royal Oak Concept „Black Panther“. Ein bedrucktes Zifferblatt und ein Fliegendes Tourbillon hätten den Ansprüchen und Erwartungen keineswegs genügt. Deshalb besteht die sofort ins Auge stechende Marvel-Figur aus massivem Gold. Kunsthandwerker haben sie graviert sowie mehrfach in dunklen Tönen bemalt. Allein schon nach den ersten zaghaften Ankündigungen stand das Telefon bei Audemars Piguet nicht mehr still. „Uns erreichten Anfragen von Menschen jeden Alters. Obwohl sie die Uhr noch nie gesehen hatten, boten Fans an, eines der 250 Exemplare blind zu kaufen.“
Folglich ist die erste Edition schon so gut wie vergriffen. Jetzt zu kurz Gekommene müssen sich aber keine Sorgen machen. „Vorerst haben wir zusammen schon einige Charaktere geplant. Wir haben also einen langen gemeinsamen Weg vor uns“.
So, wie es derzeit aussieht, wird auch Audemars Piguet ihn zusammen mit François-Henry Bennahmias beschreiten. Getreu dem Motto „Never change a winning team.“