Architektur am Handgelenk
Zu den großen Qualitäten von Audemars Piguet gehört, dass die Manufaktur immer für eine Überraschung gut ist. Für sagenhaft komplizierte Werke, für aufregend neues Design – oder für die grandiose Neuinterpretation einer Uhr aus dem hauseigenen Museum in Le Brassus. Bei der „Remaster02“ deutet nur der Name darauf hin, dass sie in die letzte Kategorie fällt, dass es die Uhr schon einmal gab, so futuristisch mutet das asymmetrische Gehäuse an. Zur rechten Seite lädt es aus, dort liegt auf Höhe der kantigen Bandanstöße ein Knick, ab dem sich das Gehäuse gegen 3 Uhr neigt – und das Glas gleich mit. Irritierend ist auch der erste Blick aufs Zifferblatt, dessen zwölf dreieckige Segmente durch ihren Schliff in immer neuen Blau-Tönen schimmern. Beim Gehäuse, den Zeigern und auf den Appliken setzt AP zum ersten Mal die selbst entwickelte Legierung „Sand Gold“ ein, deren blasser Ton dank eines erhöhten Platinanteils zwischen Rosé- und Weißgold liegt. Sorgsam mattiert und gebürstet, wirkt das mit 41 Millimetern ziemlich stattliche Gehäuse damit auch fast dezent.
Die Vorlage für die Uhr stammt aus 1960
Das war die Vorläuferin, obwohl aus poliertem Gelbgold, allemal auch. Die „5159BA“ von 1960 ist im Museum ausgestellt und nach heutigen Maßstäben für eine Herrenuhr winzig klein. Mit einem Durchmesser von nur 27,5 Millimetern und dem silberhellen Zifferblatt wirkt sie fast unscheinbar – wäre da nicht der Knick: Die Proportionen sind dieselben wie beim neuen Modell und waren 1960 genauso disruptiv wie heute wieder. Zwischen 1959 und 1963 entstanden bei Audemars Piguet um die 30 Armbanduhr-Modelle, die mit allen Arten der Symmetrie spielten. Radikal modern, eine Abkehr vom allzu Harmonischen. Allerdings waren das offenbar Kunst-Stücke für eine kleine Avantgarde. Sie wurden nur in kleinen Stückzahl hergestellt – von der „5159BA“ entstanden nur sieben Exemplare – und brachten es nicht einmal zu einem eigenen Namen.
In der Manufaktur ist man sich sicher, dass die Gehäusebauer und Zifferblatt-Gestalter dieser schrägen Uhren von der Bnrutalismus-Archtitektur jener Jahre inspiriert gewesen seien, vor allem eben von der Asymmetrie vieler Bauten. Zu belegen ist das nicht, schon allein weil bei den Uhren weder die Namen der Designer noch ihre ästhetischen Erwägungen dokumentiert sind. Aber schließlich sieht sich die Schweiz nicht nur deshalb als Wiege des Brutalismus, weil sie das Heimatland von Le Corbusier ist, sondern weil sie stolz ist auf die Tradition feinster Sichtbeton-Verarbeitung, deren „rohe“ Oberflächen dem Brutalismus seinen Namen gaben. Die finden sich als wesentliches Element auch im 2020 eröffneten AP-Museum. Und wie ein Zitat auf der matten Oberfläche des „Remaster02“-Gehäuses. Angetrieben wir die Uhr von einem nur 2,8 Millimeter hohen Automatikwerk, dem Kaliber 7129, fein finassiert und mit einem Rotor in, natürlich „Sand Gold“-Ton. Dass sich dieses kantige Stück Uhr-Architektur nicht nur für die Vitrine eignet, sondern sich an seinem Alligator-Band auch sehr bequem tragen lässt, ist auch eine Überraschung, aber eine kleinere.
Limitiert auf 250 Exemplare für je 46.700 Euro.