Reisen im Privatjet: Gorden Wagener über das Priority Boarding
Ein Flugzeug zu besteigen ist in den Vereinigten Staaten fast, wie den Bus zu nehmen: Es ist für die Menschen ein ganz normaler, beinahe schon alltäglicher Vorgang, mit dem man die großen Distanzen in dem riesigen Land überwindet – geschäftlich wie privat.
Ich verbringe viel Zeit in unserem Studio in Kalifornien, wo ich mein zweites Zuhause gefunden habe. Ich bin aber beruflich nicht nur viel in den USA selbst, sondern auf der ganzen Welt unterwegs. Das Angebot der großen Fluggesellschaften in den USA ist zwar sehr gut, dennoch ist ein Privatjet eine attraktive Alternative, die viel Zeit spart und Raum zum Arbeiten in der Luft bietet.
Das Ding mit den Distanzen
Wenn man in Europa erzählt, dass man mit einem privaten Flugzeug unterwegs ist, erntet man schnell mal schiefe Blicke. In den USA ist das ganz anders. Hier ist das Reisen im Privatjet ziemlich normal. Er gilt nicht als Spielzeug der Superreichen, sondern ganz einfach als zweckdienliches und effizientes Fortbewegungsmittel.
- 22 000 Businessjets sind weltweit unterwegs, davon 58 Prozent in den USA.
- Europarekord: 130 Flüge mit Businessjets pro Monat gibt es zwischen Mailand und Rom.
Bei Daimler nutzen wir bei kürzeren Wegen den Dienstwagen oder die Bahn, bei längeren Distanzen fast ausschließlich Linienflüge. Ich genieße aber jedes Mal den Komfort, wenn ich doch einmal im Privatjet reisen kann. Es ist eben sehr convenient: Keine vollgestopften Terminals, kein Anstehen und man kommt ziemlich genau dort an, wo man auch hinwill. Das ist schon ein enormer Luxus. Außerdem bekommt man im Privatjet mehr mit. Gerade für mich als Designer etwas unglaublich Inspirierendes.
Kreativ sein über den Wolken
Ich liebe es, im Flieger zu sitzen, Musik zu hören, meinen Skizzenblock vor mir zu haben und dabei einfach stundenlang aus dem Fenster zu schauen. In dieser Umgebung komme ich zur Ruhe und mit kommen immer wieder gute Einfälle.
Was mich als Designer beim Reisen aber immer wieder etwas schmerzt, ist die Gestaltung des Interieurs. Das ist leider viel zu oft nichts von sinnlicher Klarheit, die ich bei Mercedes-Benz zum Leitmotiv gemacht habe. Vor allem bei kleineren Privatjets ist die Kabine eher Massenware!
Dass es durchaus auch anders geht, versuchen wir mit Mercedes-Benz-Style zu zeigen. Wir übertragen dabei unseren eigenen Anspruch an die Marke in Bezug auf Komfort, Luxus und Ästhetik auf andere Lebensbereiche. Wir wollen so das gesamte Ökosystem des Lebens abdecken – vom Wohnen, Leben bis hin zum Transport.
Die Luftfahrt war eines der ersten Felder, auf die wir uns vorgewagt haben. Denn warum soll ein Kunde, der mit einem unserer Autos fährt, diese Eleganz nicht auch in seinem Flugzeug oder Hubschrauber wieder antreffen?
Ist die Zeit reif?
Schon 2011 entwarfen mein Team und ich ein Interieur für einen Airbus-Hubschrauber, den EC145 Mercedes-Benz Style. Wir ließen uns dabei von unseren Luxuslimousinen inspirieren und verwendeten hochwertige Materialien, edle Hölzer und die aus der S-Klasse bekannte Ambiente-Beleuchtung.
Nicht nur schön sollte das Ganze sein, sondern auch praktisch. Die ganze Kabine wurde modular entworfen – man kann vier Passagiere mitnehmen oder auch acht, die Sitze lassen sich einfach in verschiedene Formationen umbauen. Die Zusammenarbeit mit Airbus besteht seither weiter und ist sehr erfolgreich. Wir haben inzwischen schon drei unterschiedliche Konzepte zusammen entwickelt, die sich auch gut verkaufen.
Später stellten wir zusammen mit Lufthansa Technik Kabinenkonzepte für große Privatjets vor, die mit der klassischen und mitunter eher pompösen Innenarchitektur vieler Privatjets brechen. Die Innenausstattung des Flugzeugs windet sich in unserem Konzept wie eine DNA-Helix organisch in die Kabine. Boden, Wand und Decke gehen fließend ineinander über.
Zugleich erkennt man auch da unsere Mercedes-Benz-Designphilosophie der „sinnlichen Klarheit“ wieder. Wir setzen auf ein starkes Spiel mit Kontrasten bei Materialien, Farben und Beleuchtung. Allerdings stellen wir fest, dass die Branche bei den VIP-Jets doch insgesamt immer noch recht konservativ ist – auch weil Kundinnen und Kunden das so wünschen. Wir haben aber inzwischen eindrucksvoll gezeigt, was alles möglich wäre.