Freies Radikal: Ein E-Roller von BMW
Bei BMW-Motorrad werden gelegentlich Zweiräder erfolgreich, die von Mitarbeitern initiiert wurden. Ein Innovationsbudget macht diesen eher ungewöhnlichen Weg erst möglich. Nun ist unter der Federführung der Designabteilung wieder ein außergewöhnliches Fahrzeug entstanden. Designer Alexander Buckan und sein Team haben den E-Scooter erdacht – und den Bajuwaren damit möglicherweise eine neue Laufrichtung gegeben.
Herr Buckan, blickt ein Motorrad-Designer eigentlich etwas neidisch auf die Kollegen vom Autodesign?
Oh, nein, warum? Es ist doch so, wenn ich in einem Design-Team an einem Auto arbeite, dann verantworte ich vielleicht das Interieur, das Exterieur oder die Felgen. Ich bin aber nur ein Teil des Ganzen. Bei einem Motorrad verantwortet man alles in Personalunion – das komplette Werk wird von einer Person komponiert und durch- dekliniert. Sie sollten also mal die Autokollegen fragen.
Die Erwartungshaltung an den CE 04 ist hoch. Ein neues Segment ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten.
Ja, das stimmt. Aber auch mit vielen Chancen. Ich habe mich für dieses Fahrzeug sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Ganz klar: Der Geburtsort des CE 04 ist die Designabteilung. Mit einem Innovationsbudget, um das wir hausintern gepitcht haben, sind wir in die Entwicklung gegangen und haben uns bis in die Serienproduktion vorgekämpft – mit guten Argumenten und einem geilen Konzept. Der CE 04 ist ja ein Wesen zwischen Scooter und Motorrad. Er wirkt ja so, als hätte man zwei Drittel Scooter in ein Drittel Motorrad geschoben.
Was waren die „guten Argumente“ für den CE 04?
Die Erkenntnis, dass Motorradfahren ein elitäres Erlebnis ist – dafür muss man viele Eintrittskarten lösen. Du brauchst einen Führerschein und wirst durch deine Kleidung immer als Motorradfahrer erkannt. Und du möchtest auch so wahrgenommen werden. Es gibt aber auch viele Menschen, die das Zweiradgefühl lieben, aber eben nicht Teil dieses Stereotyps sein wollen. Für solche Menschen wollten wir Hürden auflösen.
Was war die treibende Design-Idee?
Unsere Erkenntnis des Zugänglichkeitsbedürfnisses auch in der Formsprache zum Ausdruck zu bringen. Nicht elitär, sondern offen. Große Flächen, die individuell beklebt werden können. Der CE 04 sollte ein Stadtfahrzeug sein und wir wollten ihn maximal emotionalisieren, sichtbar machen.
Blutet einem Designer nicht das Herz, wenn jemand Aufkleber auf sein Produkt klebt?
Nein, absolut nicht, das ist Teil des Konzepts. Das ist gewünscht. Wir haben eine Art Leinwand erfunden und wünschen uns, die neuen Besitzer würden sie als solche nutzen und ihrer Individualität Ausdruck verleihen.
Wenn man ein reines Stadtfahrzeug konzipiert, wovon verabschiedet man sich als erstes?
Nachdem wir recherchiert haben, wurde uns bewusst, dass dieser Fahrzeugtyp im Durchschnitt 12 Kilometer am Tag bewegt wird. Da haben wir uns als erstes von diesen dicken Sitzpolstern verabschiedet. Und auf einmal eröffnet sich eine neue Welt. Wenn wir keine dicken Polster und keine Sitzmulden brauchen, machen wir die Sitzbank lang und bringen jede Körpergröße komfortabel auf den Roller unter. Das ist Komforterhöhung durch Flexibilität.
Diese Fahrzeugkategorie ist bei BMW Motorrad ein Novum. Wie beeinflusst das den Designprozess?
Anfänglich kaum. Es gibt ja kein Vorgängermodell und somit konnten wir uns dem Thema völlig frei nähern. Aber später wird es herausfordernd. Dann kommen Abteilungen mit Taschenrechnern dazu. Was neu ist, ist schwer zu kalkulieren. Aber alle im Haus sind der Meinung: Der CE 04 hat das Zeug zu einer Ikone.
Die Vorzeichen sind gut. Die BMW R nineT, ein großer Erfolg, kam ebenfalls aus der Designabteilung. Sollte man mehr auf Designer hören?
Möglicherweise bekommen wir zukünftig automatisch mehr Gewicht. Unter anderem wird der Motorenklang bei elektrifizierten Fahrzeugen wegfallen, auch braucht es liebgewonnene Komponenten nicht mehr – Auspuff weg, Tank weg, Getriebe weg. Dominierte in der Verbrenner- Welt der Motor, so ist nun der Batterieblock flächenmäßig im Vordergrund - und den muss man gekonnt inszenieren, damit steigt der Fokus auf das Design.
Welchen Fahrer haben Sie sich vorgestellt, als sie den ersten Strich des CE 04 aufs Papier gezogen haben?
Einen Stadtmenschen, einen Urbanauten. Jemanden, der sich seiner Verantwortung in der Gesellschaft bewusst ist.
Was soll man später einmal über den CE 04 und die Idee sagen?
Mir würde es gefallen, wenn man in Zukunft den Mut von BMW Motorrad zur Kenntnis nimmt, der hinter der Idee steckt. Wenn man sagt: Die haben etwas gewagt und gewonnen. Das finde ich erstrebenswert.
Datenblatt
Angetrieben wird der CE 04 von einem in der Spitze 31 kW (42 PS) starken Elektromotor. Damit schafft der Scooter den Sprint von Null auf 50 km/h in 2,6 Sekunden.
Die Nenndauerleistung wird mit 15 kW (20 PS) angegeben. Eine Version für Auto-Führerschein-Besitzer bringt in der Spitze 23 kW (31 PS). Mit einer Nenndauerleistung von 11 kW (15 PS) fällt der Elektroroller dann zulassungstechnisch in die 125er-Klasse.