Diese Businessjets lassen sich individualisieren

Größer, weiter, modularer – der Markt für exklusive Businessjets ist heiß umkämpft. Bei Airbus und Boeing finden Kunden jetzt neue Optionen zur Innenausstattung ihrer Privatflugzeuge.
Text Michael Verdon
Produktiv über den Wolken: Arbeitszimmer an Bord eines Boeing Business Jets 737-7 im Select-Programm.

Beim Kauf eines exklusiven Businessjets konnten Kunden –ab einer gewissen Flugzeuggröße– lange Zeit nur zwischen zwei Herstellern wählen: Boeing Business Jets (BBJ) und Airbus Corporate Jets (ACJ). Beide Unternehmen bauen luxuriöse, manchmal sogar extravagante Privatjets auf Basis ihrer gängigen, sonst für den Linienverkehr bestimmten Großraumflugzeuge. Doch zuletzt schrumpften die Marktanteile der konkurrierenden Giganten – zugunsten von kleineren Wettbewerbern wie Gulfstream, Bombardier und Dassault.

Politiker und Manager nutzen Businessjets

Ruheraum: Schlafzimmer in einer Select-Variante des Boeing Business Jets 737-7.

Der in Zürich ansässige Aviation-Dienstleister Comlux ist sowohl für BBJ als auch für ACJ­-Interiors zertifiziert. „Bei den Businessjets der größten Kategorie sind meistens subtil­-elegante Innenräume gefragt – etwa von Staatsoberhäuptern, die sich wünschen, dass die Flugzeuge ihre jeweiligen Länder repräsentieren“, sagt Comlux­-CEO Richard Gaona. In der Regel lassen sich solche exklusiven Wünsche nur mit Bespoke-Interiors erfüllen. Neben Spitzenpolitikern gehören vor allem Wirtschaftskapitäne und Königshäuser zu den Abnehmern von großen Businessjets. Um diese exklusive Kundenbasis adäquat zu bedienen, gründete Boeing 1996 seine BBJ­-Sparte. 

Zu Beginn gab BBJ jährlich 18 bis 20 Flugzeuge an seine Interior­-Partner weiter. Zwischen 2002 und 2015 sank die Zahl der pro Jahr ausgelieferten Flugzeuge auf rund zehn. Ab 2019, als die Boeing 737 Max erneut zum Problemfall wurde, brach die Nachfrage weiter ein – auf zuletzt vier Jets in 2023. Im selben Jahr unternahm BBJ eine strategische Kehrtwende: Mit BBJ Select startete das Unternehmen eine neue, modulare Innenausstattungsreihe für die 737­7. Kunden wählen hier zwischen diversen Optionen für Layout und Material; insgesamt kann man die Kabine auf 216 verschiedene Arten konfigurieren. Im Vergleich zu einem Bespoke-Interior lassen sich nicht nur variable Kosten in erheblicher Höhe sparen. Auch die Arbeitszeit der Ingenieure wird um sechs Monate reduziert.

Individuelle Designs von Boeing und Airbus

Gesellschaftsbereich an Bord eines Flugzeugs aus dem TwoTwenty-Programm von Airbus Corporate Jets.

„Ein passendes Angebot für Kunden, die sich einen schlüsselfertigen Businessjet wünschen, aber nicht bei null damit beginnen wollen, eine komplett neue Kabine zu entwickeln“, sagt BBJ­-Präsident Joe Benson. Airbus­-Tochter ACJ hat ein ähnliches Programm, genannt TwoTwenty, aufgelegt, will damit – genauso wie BBJ – den Erfolg von Gulfstream, Bombardier und Dassault kontern. Die drei spezialisierten Businessjetkonkurrenten, die bereits den Markt für Ultralangstreckenflugzeuge dominieren, haben in den letzten zehn Jahren stark in größere, exklusivere Modelle investiert. Ihre neuen Flugzeugtypen fliegen schneller und weiter als der –mit Bespoke­-Interior– bis zu 50 Prozent teurere BBJ 737­7. Wer sich stattdessen nun für die Select­-Variante des 737­7 entscheidet, kann immerhin 22,5 Millionen Euro sparen.

Bei ACJ soll das TwoTwenty­-Programm gegen die Gulfstream G700, die Bombardier Global 7500 und das neue 10X­-Flaggschiff von Dassault bestehen. Sowohl BBJ als auch ACJ spielen damit wieder ihre traditionellen Stärken aus: Sie bieten größere Kabinen, geringere Betriebskosten, ein insgesamt luxuriöses Flugerlebnis – und kombinieren diese Pluspunkte nun mit neuer Effizienz. „Wir haben nicht nur die Preise und Produktionszeiten reduziert“, sagt ACJ-Präsident Chadi Saade, „sondern auch die Risiken, die bei der Entwicklung eines ganz neuen, maßgeschneiderten Interiors entstehen.“ ACJ startete das TwoTwenty­-Programm im Jahr 2020 mit neun Bestellungen; zwei Flugzeuge wurden inzwischen ausgeliefert.

Boeing 777X wird ab 2025 ausgeliefert

Comlux erhielt den Auftrag für die ersten 15 Interiors, stellt aktuell die dritte Maschine fertig. Die Comlux-Fabrikationsstätte in Indianapolis habe das Potenzial, vier bis fünf Interiors pro Jahr zu produzieren, sagt CEO Gaona. Airbus hat seine Wettbewerbsposition mit TwentyTwo inzwischen deutlich gestärkt – auch wenn sich die Anzahl der Flugzeuge, die das Unternehmen pro Jahr umrüstet, noch im mittleren einstelligen Bereich bewegt. Zum Vergleich: Bombardier und Gulfstream haben 2023 zusammengenommen 164 Langstreckenflugzeuge verkauft. Und wie erfolgreich wird das Select-Programm bei BBJ? Boeings Probleme mit der 737 Max dürften sich weiter auch auf BBJ auswirken. 

BBJ­-Präsident Benson sagt aber, dass er dennoch mit Wachstum und Nachfrage rechnet. „Unsere Kunden bestellen schon Modelle, die wir erst in den kommenden Jahren einführen“, sagt Benson und meint damit wohl vor allem den BBJ 777X. 2025 soll der 777X erstmals ausgeliefert werden. Er zeichnet sich mit einer Kabinengröße von 343 Quadratmetern und einer Reichweite von mehr als 20.000 Kilometern aus, könnte so zum fähigsten Businessjet der Welt werden. Doch der Markt für große Privatflugzeuge ist so kompetitiv wie nie zuvor. Ob sich Boeing mit dem neuen Modell die alte Lufthoheit zurückerobern kann? Der steilste Anflugwinkel zum Kundenbedürfnis wird es wohl am Ende entscheiden.