McLaren Artura Spider: Einer für alles
Monaco ist ein Phänomen – und eine Reise wert. So zumindest sehen es mehr als fünf Millionen Besucher jährlich. Verglichen mit den monegassischen Einwohnern sind das etwa 137-mal so viele. Knapp über 2000 Quadratkilometer, die eine Anziehungskraft ausstrahlen wie wenige Orte sonst auf der Welt. Dabei geht es nicht darum, an den schönsten Stränden zu entspannen. Davon gibt es an der Côte d’Azur schönere. Oder an den Promenaden zu flanieren. Nein. Auch das Angebot an Sehenswürdigkeiten ist nicht gerade üppig. Sicher, ein paar schöne Bauten hat der Stadtstaat schon zu bieten: das Casino, die Fünf-Sterne-Hotels, den Fürstenpalast. Insgesamt ist das Bild aber geprägt von Hochhäusern, viel Asphalt – und natürlich von einem über das gesamte Jahr hinweg nahezu ausgebuchten Yachthafen. Die hohe Auslastung mag daran liegen, dass der Port Hercule nicht groß ist, angesichts der stattlichen Gebühren für einen Liegeplatz, vor allem am Formel-1-Wochenende, überrascht der Andrang aber doch.
Geräuschlos durch den Stadtverkehr
Oder vielleicht doch gerade nicht. Schließlich lebt Monaco vom Image, die Heimat des ultimativen Luxus zu sein. Hinsichtlich der engen Bebauung, des ständigen Trubels und der überfüllten Straßen ein Mysterium, doch Fakt ist: Der Mythos lebt. An der Entstehung des Nimbus als Treffpunkt des internationalen Geldes haben auch massen- und fernsehtaugliche Events ihren Anteil. Wie das Internationale Zirkusfestival oder ebenjener Rennsportzirkus der Formel 1, Treffpunkt der internationalen Prominenz. Monaco ist ein Mysterium. Eine Idee. Eine Fantasie. Kein Renault, kein Peugeot oder Citroën ist zu sehen, die für gewöhnlich die französischen Straßen, auch an der Côte d’Azur, verstopfen. Aber was ist im Süden Frankreichs schon gewöhnlich? In Monaco zählt mehr als in Nizza oder Cannes: sehen und gesehen werden. So überrascht es die Menschen dort auch wenig, dass ein Neuer in der Stadt ist – der McLaren Artura Spider.
Immerhin: Einige Hobbyfotografen reagieren auf den sportlichen Briten, denn der neueste McLaren fällt auch unter all den anderen Hypercars auf. Übrigens auch hinter seinem Bruder, dem McLaren 765LT, den wir zufällig auf unserer Ausfahrt treffen und vom Hafen, die Avenue des Spélugues abwärts, bis zur wohl berühmtesten Haarnadelkurve der Welt, der Loews-Kurve, folgen. Dass wir in den knapp fünf Minuten im stockenden Verkehr sogar die Auslöser der Fotojäger am Straßenrand hören, liegt zum einen daran, dass wir in McLarens neuem Hybrid-Sportwagen offen fahren, zum anderen, dass wir mit dem Wagen selbst gerade kein Geräusch von uns geben. Im Stop-and-go-Verkehr hinauf zur Place du Casino schaltet der Artura Spider automatisch den 605 PS starken 3,0-Liter-V6-Motor ab. Wir gleiten – soweit es die Verkehrssituation zulässt – mit 95 PS E-Power im Rücken die Avenue de Monte-Carlo hoch. Das macht Eindruck, selbst hier in Monaco.
Das sparsamste McLaren-Cabrio aller Zeiten
Einen McLaren so leise zu erleben ist ungewöhnlich – zumal vor uns das Kontrastprogramm aus demselben Hause mit beeindruckender Geräuschkulisse auch nur langsam vorankommt. In diesem Fall: viel Lärm um nichts. Der McLaren Artura Spider kann auf Knopfdruck natürlich auch anders: In den Sport-Modus gewechselt, ist er mit dem Vordermann im Gleichklang. Dass der Brite, ganz gentlemanlike, seine Kraft gut verstecken kann, wird wohl auch die Monegassen freuen. Hier, in den engen Gassen, ist ein Sportwagen, der nachts niemanden aus dem Schlaf reißt, wohl ein gern gesehener Gast. Ja, Nachbarschaftsbeziehungen sollten am McLaren Artura Spider schon einmal nicht zerbrechen. Ein weiterer positiver Aspekt des E-Motors: Mit einem kombinierten WLTP-Verbrauch von 4,8 Litern auf 100 Kilometern ist der Artura Spider das sparsamste McLaren-Cabrio aller Zeiten. Zugegeben: Hier, an der Côte d’Azur und speziell im Fürstentum, ist das wohl eher ein nachgelagertes Thema. Aber der Gedanke ist gut, den Sprit im Stau zu sparen, der einem später bei der Beschleunigung auf der Autobahn oder auf den Kurvenfahrten an der französischen Riviera fehlen könnte.
Denn selbstverständlich kann der Artura Spider auch anders. Aus dem Stand sprintet er in drei Sekunden auf Tempo 100 und wird zum Top Performer. 200 km/h stehen nach 8,4 Sekunden auf dem Tacho. Abgeregelt ist der Wagen bei 330 km/h. Diese sehr vorzeigbaren Werte verdankt der Brite unter anderem seinem Gewicht. Leer wiegt das erste Hybrid-Cabrio von McLaren nur knapp über anderthalb Tonnen. Worauf die Ingenieure besonders stolz sind: Gegenüber dem Wettbewerb habe man damit einen Gewichtsvorteil von bis zu 83 Kilo. Und ein Teil der Wahrheit ist ja auch, dass Gewicht einer der größten Einflussfaktoren auf die Performance ist. In der Manufaktur in Woking, im Westen der englischen Grafschaft Surrey, dort, wo McLaren Leistung in Karosserien baut, hat man es geschafft, dass die Cabrio-Version nur 62 Kilo mehr auf die Waage bringt als das Artura Coupé. Wichtiger als diese Werte ist aber das Praxisverhalten. Der McLaren Artura Spider ist ein Allrounder, der sich nicht nur auf einem Terrain wohlfühlt. Er beherrscht Stadt und Rennstrecke. Wie kaum ein anderer Sportwagen passt er sich jeder Situation perfekt an.
Ein vielseitiges Supercar mit vier Fahrmodi
Zur Charakterbestimmung reicht es, einen der vier trennscharf voneinander abgegrenzten Fahrmodi direkt neben dem Lenkrad einzustellen: Von ultimativer Performance, direktem Handling und hartem Fahrwerk („Track“) über „Sport“ und „Comfort“ bis hin zu komplett elektrisch („Electric“) zügelt sich der McLaren Artura Spider selbst immer weiter. Und senkt dabei seine Stimme. So verpassen die Paparazzi am Straßenrand auf unserer Runde durch Monaco vielleicht das ein oder andere Bild von vorne – denn wir sind schon vorbei, bevor man uns hört. Speziell in Monaco punktet der McLaren Artura Spider darüber hinaus mit einem anderen Aspekt: Wenn die Wolken doch einmal tief in dem direkt hinter dem Fürstentum angrenzenden Bergmassiv hängen, ist in nur elf Sekunden und bis zu einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern das einteilige Hardtop elektrisch verschlossen. Und bei unbeständigem Wetter hilft die Technik im Dach. Das aus Kohlefaser und Verbundwerkstoff bestehende versenkbare Verdeck lässt sich mit einer elektrochromen Glasscheibe konfigurieren, die auf Knopfdruck entweder das Cockpit aufhellt oder mehr als 99 Prozent des Sonnenlichts blockiert.
Apropos Technik und Innovationen: Die meisten monegassischen Parkhäuser sind selbst für routinierte Fahrer kein Vergnügen. Gebaut in Zeiten, als die Autos noch erheblich kleiner waren, und schon immer war Platz im Fürstentum rar. In dem wendigen Zweisitzer haben wir es grundsätzlich leichter, leichtfertig wollen wir aber trotzdem nicht werden. Immerhin bewegen wir hier ein Auto, das in Deutschland mindestens 245.550 Euro kostet. Mit dem Extra eines 360-Grad-Einparkassistenten wird er teurer – doch der ist zu empfehlen. Und so parkt sich der Brite mit elektrischer Unterstützung gekonnt selbst in die Lücke zwischen zwei Landsleute. Neben uns stehen bereits ein Rolls-Royce und ein Bentley. Als wäre es das Normalste der Welt. Und hier in Monaco ist es das irgendwie ja auch. Gerade deswegen passt der McLaren Artura Spider hier so gut hin.
McLaren vereint das Beste aus zwei Welten
Bei einem letzten Schulterblick auf dieses britische Trio entfaltet sich dennoch so etwas wie Wehmut – ein stehendes Hypercar. Und nur für die Stadt im Stop-and-go-Verkehr oder die Sonntagsfahrten zur Oper oder ins Casino, das wird dem Anspruch des Sportlers nicht ganz gerecht. Der Wagen gehört auch mal ausgiebig ausgeführt, in die Berge, die Küstenstraße an der Côte d’Azur entlang – oder eben ganz ungezügelt auf die Rennstrecke. Charmant, dass der Circuit Paul Ricard nur gut zwei Autostunden entfernt liegt. Zwar außerhalb der Reichweite der Akkus, denn rein elektrisch kommt der Artura Spider nur 33 Kilometer weit. Damit aber eben doch weit genug, um den Fahrer laut- und emissionslos durch die Stadt zu tragen, damit er sich dann ganz und gar den Reizen eines Verbrenners hingeben kann. Das ist vielleicht das Beste aus zwei Welten.