Gordon Murray: „Designer müssen sich die Hände schmutzig machen”
Wann wurde Ihnen klar, dass Autos die Leidenschaft Ihres Lebens werden würden?
Ich war fünf oder sechs Jahre alt. Mein Vater arbeitete als Kfz-Mechaniker. Kurz nach dem Krieg begann er, Rennautos zu bauen. Ich hockte auf der Werkbank, schaute ihm zu. Er hat mich auch oft zu Rennen mitgenommen. Eine Zeit lang war ich wild entschlossen, selbst Rennfahrer zu werden.
Was war die wichtigste Lektion, die Sie in der Formel 1 gelernt haben?
Mein Budget bei Bernie Ecclestone und seinem damaligen Rennstall Brabham war winzig – jedenfalls im Vergleich zu dem der großen Jungs bei McLaren, Ferrari oder Williams. Ich habe schnell gelernt, was es braucht, um mit kleinem Geld ein konkurrenzfähiges Auto zu bauen.
Auf welches Ihrer Rennautos sind Sie besonders stolz?
Der Brabham BT44 gehört zu meinen Favoriten. Nicht nur weil das mein erster Grand-Prix-Sieger war. In ihm steckte auch eine Menge Innovation: Wir haben den Schwerpunkt des Autos mithilfe seiner dreieckigen Silhouette abgesenkt, die Hinterradaufhängung direkt an der Rückseite des Motors befestigt und einen Großteil des Kraftstoffs hinter dem Fahrer untergebracht. So konnten wir die Gewichtsverteilung während des Rennens kontinuierlich stabil halten.
Viele Experten rechnen damit, dass der McLaren F1 zum nächsten Heiligen Gral für Autosammler wird. Was glauben Sie?
Der F1 war ein echter Innovationssprung – ähnlich wie der BT44. Er hatte den besten Zwölfzylindermotor seiner Zeit, hat gleich im ersten Anlauf in Le Mans gewonnen. Damals, bei der Entwicklung des McLaren F1, habe ich nicht geplant, eine neue Ikone zu konstruieren. Ich habe einfach nur mein Bestes gegeben. Wenn der F1 jetzt mit der Zeit als Ikone wahrgenommen wird, freue ich mich natürlich sehr.
Von welcher Maxime haben Sie sich beim T.50s, Ihrer aktuellsten Konstruktion, leiten lassen?
Keine Kompromisse! Den McLaren F1 wollte ich ursprünglich als ultimatives Straßenfahrzeug konstruieren. Unsere Kunden haben uns dann genötigt, mit dem Auto in den Rennsport zu gehen. So gesehen war der F1 ein Kompromiss. Dieses Mal habe ich klar entschieden, dass ich jeweils ein reines Straßenauto – den T.50 – und ein reines Rennauto – den T.50s – bauen würde. Ich habe für die beiden Entwicklungen auch separate Teams verpflichtet. Die Autos sehen zwar so aus, als würden sie zur gleichen Familie gehören. Aber jedes Karosserieteil ist anders, das Monocoque ist anders, genauso wie Getriebe, Antriebsstrang und Aufhängung. Der T.50s Niki Lauda ist ein von Grund auf eigenständig entwickeltes Auto.
Sehen Sie heute noch Hoffnung für den Verbrennungsmotor? Hat er noch Potenzial für weitere Optimierungen?
Wir haben gerade bewiesen, dass man bei den Umdrehungen von 9000 auf 12.000 springen und bei den Emissionen trotzdem noch im Rahmen bleiben kann. Auch bei den Kraftstoffen sehe ich weiter viel Spiel: Verbrennungsmotoren lassen sich mit synthetischen Kraftstoffen oder Wasserstoff betreiben. Dagegen wird der Fortschritt bei den Elektrofahrzeugen ein wenig ins Stocken geraten – so lange, bis es eine bessere Batterietechnologie gibt. Ich rechne für den Verbrennungsmotor mit einer viel längeren Lebenszeit, als heute allgemein angenommen wird.
Könnten Sie sich trotzdem für die Entwicklung eines Elektroautos begeistern?
Ich persönlich, als Kind der 1960er mit ihren wunderbaren Autos, liebe einfach den Verbrennungsmotor. Aber wir werden uns weiterentwickeln, keine Frage. Irgendwann wird es eine Generation von Autofahrern geben, die keinen Verbrennungsmotor mehr kennt.
Was raten Sie jungen Menschen, die Ihr Erbe als Automobilkonstrukteur antreten wollen?
Verliert euch nicht im Detail, behaltet das große Ganze im Blick! Und macht euch die Hände schmutzig! Als Designer brauchst du praktische Kenntnisse. Vielleicht kannst du beim Bau eines Rennwagens helfen oder bei der Restaurierung eines Klassikers. Mir liegt es sehr am Herzen, kommende Generationen zu fördern. Fast mein ganzes Aktienvermögen fließt in den Aufbau einer technischen Hochschule. Das wird mein Vermächtnis.