Hinter diesen Luxusautos stecken deutsche Designer

Aus dem Land der Dichter und Denker ist das Land der Automobil-Designer geworden. Bei welchen Autobauern deutsche Formgeber in der Verantwortung sind. Ein Überblick. 
Text Wolfgang Gomoll
1

Mitja Borkert

Lamborghini

Ein Designer muss sich bei jedem Auto neu beweisen. Doch wenn es darum geht, ein italienisches Nationalheilig­tum zu bewahren, bekommt die Aufgabe noch einmal eine ganz andere Dimension. „Wir geben dem Adrenalin eine Form“, sagt Lamborghini­-Designchef Mitja Borkert. Ein Lam­borghini muss schon im Stand die Dynamik ausstrahlen, die den Supersportwagen auf dem Asphalt auszeichnet. Das Rüstzeug für diese anspruchsvolle Herausforderung holte sich der gebürtige Herzberger bei Porsche, wo die Formen­sprache ebenfalls ein in Blech gepresstes Manifest ist. 

„Das wichtigste Auto, das ich gezeichnet habe, war für mich als jungen Designer der Porsche Macan. Er blieb über zehn Jahre lang frisch und zeitlos im Design und hat viele andere Sport­-SUV beeinflusst“, erklärt Borkert, der regelmäßig joggt, um sich fit zu halten. Wenn einmal nicht der Zeichen­block ruft, schwingt sich der Designer aufs Motorrad oder besucht Live­-Konzerte von Bands wie Depeche Mode, The Cure oder AC/DC. „Da stehe ich immer in der ersten Reihe“, lacht der stolze Vater eines Sohnes.

Sein großer Wurf: Lamborghini Temerario, ruhiger und nicht so aufbrausend wie die üblichen Lamborghinis.

2

Michael Mauer

Porsche

„In einer Welt, in der alles so gern er­klärt wird, muss Design selbsterklärend sein“, sagt Michael Mauer. Was so ein­fach klingt, ist doch so schwer zu reali­sieren. Eine Ikone wie den Porsche 911 zu bewahren und gleichzeitig mit der Zeit zu gehen, kommt einem gestalterischen Paradoxon gleich. Zumindest ist es aber eine Königsaufgabe für jeden Formgeber. Die hat Michael Mauer bisher mit Bravour gelöst. „Gestaltete Präzision“, nennt er diesen Ansatz. Diese Prämisse hat der drahtige Desi­gner schon früh verinnerlicht. Während seines Studiums an der Fachhochschule Pforzheim entwarf er Kaffeemaschinen und Rasenmäher. Später war er für die Formensprache bei Saab verantwortlich. Eine Marke, bei der behutsames Design gefragt war. Wie eben bei Porsche auch.

Wenn Michael Mauer mal nicht den Bleistift schwingt, fährt er Ski. Und das durchaus ambitioniert. Bisweilen lässt er sich auch mit dem Helikopter in Ka­nada zu unberührten Hängen fliegen. Im Sommer fährt er mit dem Mountain­bike selbst die Berge hinauf. Dieser körperliche Ausgleich ist wichtig, da Michael Mauer mittlerweile auch für das Design des VW­-Konzerns verant­wortlich ist. Der Fluch der guten Tat.

Sein großer Wurf: Der Panamera 2009, weil Mauer die Porsche­-Form zum ersten Mal auf ein viertüriges Auto übertragen hat.

3

Frank Heyl

Bugatti

Pfeilschnell! Das trifft nicht nur auf die Autos zu, denen Frank Heyl das Aussehen verleiht, sondern auch auf das Hobby des Bugatti-Designers. Heyl gönnt sich regelmäßig eine Auszeit und geht auf der Rennstrecke auf Bestzeitenjagd. Dabei tüftelt er so lange an der optimalen Runde, bis sie passt. Vorher klettert er nicht aus dem Cockpit seines Porsche 911 GT3. Diese Detailversessenheit lässt er auch den Produkten aus der Molsheimer Manufaktur angedeihen und geht dabei durchaus unkonventionelle Wege. Als beim Bugatti Chiron die Lüftungslöcher für den Motor das Design des Hecks störten, ersann Frank Heyl kurzerhand einen Heckdeckel mit Unterdruck-Funktion, der die Kühlung des Antriebsstrangs sicherstellt, indem er die heiße Luft absaugt.

„Es begeistert mich jeden Tag, daran zu arbeiten und die Autos noch besser zu machen“, erklärt der gebürtige Hamburger, der bereits mehrere Automobil-Patente angemeldet hat. Während seiner 16 Jahre bei Bugatti hat der ehemalige Škoda-Formgeber die Devise „Form follows Performance“ derart verinnerlicht, dass er im vergangenen Jahr beim französischen Sportwagenhersteller den Staffelstab des Chef-Designers von Achim Anscheidt übernommen hat. Sein Credo für schnörkelloses und leises Design fasst Heyl so zusammen: „Bugatti muss Charisma mit Leistung verbinden.“

Sein großer Wurf: Der Bugatti Tourbillon, mit dem Heyl den Bugatti-Look modernisiert hat.

4

Marc Lichte

(Ex) Audi

Wo Mark Lichte auftaucht, fällt er auf. Mit einer Körpergröße von über 1,90 Meter überragt der Designer die meisten seiner Mitmenschen. Der schlanke Mann spricht mit ruhiger, klarer Stimme und seine Worte finden Gehör. Mehr als zehn Jahre lang prägte Marc Lichte das Aussehen der Audis und hat vor allem den Übergang zur Elektromobilität entscheidend mitgestaltet. Da verwundert die Antwort auf die Frage nach dem schönsten Auto, das er je zu Papier gebracht hat, kaum: „Der Audi e-tron GT!“ Also das Ingolstädter Pendant zum Porsche Taycan.

Marc Lichtes Schlüsselerlebnis auf seinem Weg zum Stardesigner ereignete sich auf der IAA des Jahres 1983. Damals sah der 14-Jährige den Audi Sport quattro und war von den klaren Formen des Fahrzeugs begeistert. Für ihn stand fortan fest, dass sein Weg als Automobildesigner nach Ingolstadt führen würde. Dieses Ziel hat Lichte nach einigen Jahren bei VW, wo er Autos wie dem Golf oder dem Passat Gestalt verlieh, auch erreicht und seine Idee von der schnörkellosen Formensprache perfektioniert. „Sportliche Autos sind Form gewordenes Adrenalin“, sagte der Fan mechanischer Armbanduhren einmal. Die muskulösen Schultern des Audi e-tron GT sind die konsequente Umsetzung dieser Idee.

Sein großer Wurf: Der e-tron GT, weil er damit das Audi-Design für die Elektromobilität fit gemacht hat – und einen E-Gran Turismo auf die Straße brachte.

5

Domagoj Dukec

Rolls-Royce

Ein Mangel an Selbstbewusstsein kann man Domagoj Dukec nun wahrlich nicht unterstellen. Nach seinen künstlerischen Vorbildern gefragt, greift der neue Rolls-Royce-Designchef mit Michelangelo und Karl Lagerfeld gleich ins oberste Regal. Zu dieser Einstellung passt auch sein Credo: „Als Designer muss man immer bereit sein, ein Risiko einzugehen.“ Bei Rolls-Royce muss der Deutsch-Kroate eine ausgewogene Balance aus Experimentierfreude und Traditionalismus walten lassen.

Domagoj Dukec soll die britische Nobelmarke in das neue Zeitalter der Elektromobilität zeichnen und gleichzeitig die seit über 100 Jahren geltenden ehernen Designprinzipien von Sir Henry Royce bewahren. Gestalterische Freiheit ja, aber ein Rolls-Royce muss immer als ein solcher erkennbar sein. Auch ohne den Pantheon-Kühlergrill oder die Spirit-of-Ecstasy-Figur. Domagoj Dukec, der sich als emotionalen Rationalisten beschreibt, muss diese Aufgabe mit feinem Bleistiftstrich meistern. Denn der passionierte Hobbykoch weiß nur zu gut, dass eine falsche Zutat das ganze Gericht verderben kann.

Sein großer Wurf: Wird kommen. Dukec’ konzerninterner Wechsel von BMW zu Rolls-Royce ist zu frisch. Bei BMW verantwortete er zuletzt die Neue Klasse, BMWs Generalangriff bei der Elektromobilität – gesehen hat man an dieser Stelle bisher aber nur Studien.

6

Gorden Wagener

Mercedes-Benz

Gorden Wagener hat das kalifornische Lebensgefühl inhaliert. Im Golden State fühlt sich der gebürtige Essener heimisch. Hier kann er seiner Leidenschaft frönen: Autorennen fahren. Am liebsten auf der Rennstrecke Laguna Seca. „Ich brauche den Wettbewerb“, sagt der Formgeber. Diese kompetitive Einstellung ist Teil seines kreativen Schaffens. „Inspiration von außen ist für mich der innere Drang, gewinnen zu wollen. Die Nummer eins zu sein”, sagt der Mercedes-Designchef, der wie viele seiner Kollegen schon in seiner Kindheit „konditioniert“ wurde, als er ein dunkelblaues Mercedes-Coupé 230 CE (W123) bewunderte. Seitdem war der schwäbische Autobauer sein Leitstern, dem er seit 2008 mit dem Designmotto „sinnliche Klarheit“ Glanz verleiht. Dem Spiel mit Kontrasten und stimmigen Proportionen, die ein Auto muskulös wirken lassen.

Gorden Wageners Expertise beschränkt sich nicht nur auf Vehikel mit vier Rädern. Gemeinsam mit der Surflegende Garrett McNamara entwickelte er vier Boards. Das war eine Herzensangelegenheit: Gorden Wagener wollte selbst einmal Windsurf-Profi werden. Doch aufs Wasser kommt er derzeit eher selten, als Chief Design Officer der Mercedes-Benz Group ist sein Aufgabenbereich umfangreich.

Sein großer Wurf: Die G-Klasse, die Wagener grandios in die Moderne überführt hat.

7

Tobias Sühlmann

McLaren

Zu Hause ist es am schönsten. So könnte man Tobias Sühlmanns Amtsantritt als McLaren-Designchef vor gut einem Jahr umschreiben. Denn der deutsche Formgestalter kehrte vor einem Jahr nach einem knapp zweijährigen Intermezzo bei Bentley nach Woking zurück.

Der Automobil-Kreateur ist ein Spross des VW-Konzerns, wo er als Exterior-Designer an Fahrzeugen wie den VW Arteon oder dem Golf GTE Sport Concept beteiligt war. Bei Aston Martin und Bugatti holte sich der Absolvent der Fachhochschule Pforzheim den weiteren Designschliff. „McLaren ist mein Traumjob“, strahlt er.

Der Kerl mit dem Vollbart und den blauen Augen ist kein Mann der großen Worte, aber er liebt die Herausforderung und ist bereit, neue Wege zu gehen. Die werden auch nötig sein. Denn McLaren-Chef Michael Leiters hat das Aussehen der zukünftigen McLaren-Modelle als essenziell definiert. Die Modelle müssen sich stärker unterscheiden als bisher. Auf seinen Designstil angesprochen, hat Tobias Sühlmann eine klare Antwort: „Wir sind Autodesigner, keine Stylisten. Wenn man also etwas durch die Aerodynamik formt, dann ist das sehr gewagt und sehr einfach.“

Sein großer Wurf: Der VW Touareg, an dem er wesentlich mitgearbeitet hat.