Gordon Ramsay: „Perfektion hat nichts mit Glück zu tun”

Der Brite Gordon Ramsay hält drei Michelin-Sterne – seit 23 Jahren. Im Interview spricht der perfektionistische Spitzenkoch über seine Kindheit, seinen ersten Mentor und sein bisher ehrgeizigstes Gastroprojekt in London.
Text Alex French
Seine Leidenschaft fürs Kochen entwickelte Gordon Ramsay als er mit 22 Jahren nach Frankreich ging.

Als Gordon Ramsay vor 20 Jahren mit seiner Reality-Show Chef ohne Gnade an den Start ging, sorgte er für Aufsehen. Damals galt der maximal freundliche Jamie Oliver noch als Prototyp des idealen Fernsehkochs. Ramsay, der zu jener Zeit schon sieben Restaurants leitete, war ein komplett anderer Typ: kantig, laut, fordernd, durchaus auch ausfallend. „Ich habe noch nie eine erfolgreiche Küche gesehen, in der alle beste Freunde sind“, sagte Ramsay damals. Bis heute liebt er klare Worte – und verabscheut Mittelmaß. Vielleicht lässt sich das aus seiner Geschichte erklären. Geschenkt wurde Ramsay wenig bis nichts: Er wuchs in einer Sozialwohnung im englischen Stratford-upon-Avon auf. Sein Vater schlug sich mit verschiedenen Jops eher schlecht als recht durch, und seine Mutter versuchte mit gleich drei Jobs, die Familie über Wasser zu halten.

Ramsay träumte von einer Fußballerkarriere

Von wegen Rüpel: Auch wenn er sich unverblümt ausdrückt, ist Ramsay ein echter Brite mit Stil und besten Manieren.

In dem Teahouse, in dem sie arbeitete, lernte der junge Ramsay die Grundlagen seines späteren Handwerks. Daneben spielte er als Teenager im Nachwuchsteam der Glasgow Rangers, träumte von einer Profifußballerkarriere. Eine schwere Knieverletzung setzte diesem Traum ein schmerzhaftes Ende. Stattdessen lernte Ramsay Hotelmanagement, arbeitete dann in diversen Küchen und kam so schließlich zu Marco Pierre White, dem ersten britischen Koch mit drei Michelin-Sternen, ins Londoner Restaurant Harvey’s. White, ebenfalls ein Mann mit hitzigem Temperament, entfachte ein leidenschaftliches Feuer in Ramsay, der später noch bei Gastrolegenden wie Albert Roux, Guy Savoy und Joël Robuchon lernte – und mittlerweile alle seine Lehrmeister übertrifft: Sein Flaggschiff, das Restaurant Gordon Ramsay, wurde 23 Jahre in Folge mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. 

Ramsay hat inzwischen 25 Kochbücher geschrieben, mindestens ebenso viele Fernsehshows moderiert und Restaurants von Atlantic City bis Dubai eröffnet. 2025 startet er sein bislang ehrgeizigstes Projekt: ein Fine-Dining-Erlebnis mit fünf Restaurants und kulinarischer Akademie im 22 Bishopsgate, dem spektakulären neuen Londoner Büroturm. Fragen nach seinem Vermächtnis mag der 58-Jährige nicht beantworten. Doch vielleicht braucht es das auch gar nicht. Vielleicht wird Gordon Ramsays Vermächtnis weder in Rekorden noch in Restaurants bestehen – sondern einfach in dem Beweis, dass kulinarische Perfektion wirklich möglich ist.

Mr. Ramsay, gehen wir zu Ihren Anfängen zurück: Was hat die Leidenschaft fürs Kochen entzündet?

Als ich acht Jahre alt war, hat meine Mutter drei Jobs jongliert, und ich fand es ganz normal, ihr freitags und samstags vor dem Fußballtraining bei der Arbeit zu helfen. Ich habe Gemüse geschnippelt, und das fühlte sich gut an – weil ich wusste, dass ich sie damit unterstützen konnte. Das Essen in dem kleinen Restaurant, in dem sie arbeitete, war ziemlich mittelmäßig. Aber ihre Energie hat mich fasziniert: die Geschwindigkeit, mit der sie Karotten schälte, Kartoffeln schnitt, dieses Multitasking in der Küche. Ich fand das aufregend. Ich ging dann zur Kochschule, das war damals die einzige Option. So richtig klick gemacht hat es, als ich mit 22 Jahren nach Frankreich geschickt wurde. Ich sprach noch kein Wort Französisch, aber ich wollte die Kultur aufsaugen, wollte französisch werden. Also weigerte ich mich, englisch zu sprechen, wurde bilingual. Ich wusste, dass ich doppelt so hart würde arbeiten müssen wie die anderen. Das soll nicht überheblich klingen, aber an diesem Punkt habe ich begriffen: „Ich packe das, habe das Zeug dazu.“ Der Druck war enorm – und er kam auf Französisch! Dass ich mit diesem Druck in einer der besten Küchen der Welt umgehen konnte, hat meine Karriere sehr früh beflügelt.

Wer war Ihr erster Mentor?

Ganz klar: Marco Pierre White. Obwohl er nur sechs, sieben Jahre älter ist als ich, war er wie ein großer Bruder, fast eine Art Vaterfigur. Er war ein Genie auf dem Höhepunkt seiner Karriere, der das Essen so kunstvoll auf den Teller brachte wie Picasso seine Bilder auf die Leinwand. Der Mann spielte in einer eigenen Liga. Was er mir mit meinen gerade mal 19 Jahren beibrachte, war einfach unglaublich. Und ich habe dieses fantastische Wissen regelrecht aufgesaugt. Mir wurde aber bald klar: Um selbst dorthin zu kommen, würde ich diesen sicheren Hafen verlassen müssen. Nach nur 18 Monaten bot er mir allerdings den Posten des Küchenchefs an. Das war eine wunderbare Chance und gleichzeitig vollkommen absurd, so jung, wie ich war. Heute weiß ich: Wenn dir das beste Jobangebot zu früh gemacht wird, gibt es einen guten Grund dafür. Dann sieht man in dir Fähigkeiten, die den anderen fehlen. Diese Erkenntnis prägt mich bis heute. Ich denke noch oft daran, wenn ich mit jungen Köchen arbeite.

Worauf achten Sie noch, wenn Sie neue Talente einstellen und entwickeln?

Erstens will ich, dass meine Köche wie Schwämme sind, dass sie alles aufsaugen, was ihnen gezeigt wird. Zweitens sage ich ihnen immer wieder: „Sobald du denkst, du bist der beste Koch in der Küche, ist es Zeit zu wechseln.“ Es geht darum, dass du aufsteigst und dann gleich wieder zurück auf den Boden findest. Nur so kannst du weiter lernen. Ich habe diesen Prozess fünfmal durchlaufen, habe in meiner Karriere mit fünf herausragenden Persönlichkeiten gearbeitet. Ich wäre schnell gescheitert, wenn ich damals den Job als Küchenchef bei Marco Pierre White angenommen und nicht auch noch andere Küchen kennengelernt hätte. Der dritte und wichtigste Punkt: Professionalität. Es ist okay, wenn du gerügt wirst. Es ist auch okay, wenn du Fehler machst. Aber du solltest nie denselben Fehler zweimal machen. Das ist in diesem Geschäft entscheidend.

Mit Chef ohne Gnade und später auch In Teufels Küche haben Sie einiges Aufsehen erregt. In beiden TV-Shows waren Sie fordernd und forsch, hatten vor allem eine ziemlich derbe Ausdrucksweise. Manch einer hielt Sie danach für einen echt üblen Kerl …

Die Idee der Serie war, dass alles direkt und knallhart anmutet, um die Zuschauer zu fesseln und ihnen aufregendes Fernsehen zu bieten. Die Menschen entscheiden schließlich mit ihrer Fernbedienung, und wenn sie sich langweilen, sind sie nach zwei Minuten wieder weg. Ich konnte es ja sowieso keinem recht machen: In der Serie haben wir versucht, angeschlagene Restaurants zurück in die Erfolgsspur zu bringen. Wenn das gelang, bekam ich kein Lob dafür. Aber wenn es schiefging, wurde mir die Schuld zugeschoben. Ich war also in jedem Fall der Arsch. Dabei nahm ich die Sache sehr ernst, habe mich mit viel Empathie engagiert und um jedes Restaurant so gekümmert, als wäre es mein eigenes. Hin und wieder habe ich sogar etwas von meinem eigenen Geld investiert. Aber klar, ab und an habe ich mir schon Gedanken darüber gemacht, wie ich wohl als Typ rüberkomme. Und als ich die geschnittenen Fassungen sah, dachte ich manchmal: „Oh, Mist. So bin ich doch gar nicht.“ Andererseits: Wenn man beim Champions-League-Finale zur Halbzeit mal hören könnte, was für ein Umgangston da in der Kabine herrscht, würde man sich wohl auch wundern. Es steht schließlich so viel auf dem Spiel. Genau wie in der Gastronomie. Alle wollen ganz vorne mitspielen, und nur die wenigsten schaffen es wirklich. Deshalb habe ich mich letztlich doch nie missverstanden gefühlt. Um diese Direktheit, Konfrontation und Auseinandersetzung einordnen zu können, sollte man aber auch bedenken: Was ausgestrahlt wird, sind 46 Minuten – zusammengeschnitten aus 150 Stunden Material aus zehn Drehtagen.

Wie gelingt es Ihnen, ein scheiterndes Restaurant mit scheiternden Menschen innerhalb von wenigen Tagen wieder erfolgreich werden zu lassen?

Manchmal muss ich das erzwingen, weil die Leute in einer Art Zeitschleife gefangen sind. Sie sagen mir: „Hey, John und Jane kommen seit 20 Jahren. Sie lieben dieses Restaurant.“ Mich interessiert aber nicht, wer kommt, sondern wer nicht mehr kommt. Denn da liegt das Problem. Wer nicht mehr kommt, ruft dich ja nicht an, um einem seine Gründe zu erläutern. Er kommt einfach nicht mehr. Und wenn man das als Inhaber nicht kapiert, dann muss ich eben direkter werden. Weil ich will, dass das Geschäft funktioniert, dass diese Restaurants Erfolg haben. Dabei ist mir egal, ob sich einer für einen genialen italienischen Koch hält. Am Ende kommt es auf die Bilanz an. Was ich den erfolglosen Gastronomen vermitteln will, ist das Erfolgsrezept, das mich selbst an die Spitze gebracht hat. Aber vom Rezept allein wird man nicht gesund, man muss auch bereit sein, die Medizin zu schlucken.

Ist es eine besondere Kunst, die richtige Art von Reibung zu erzeugen, um das Beste aus den Leuten herauszuholen?

Das Einzige, was ich jungen Köchen in meinen Betrieben beibringe, ist, wie man richtig schmeckt. Wenn man nicht begreift, wie ein bestimmtes Gericht schmecken sollte, sollte man es nicht kochen. Also versuche ich, den Geschmack und den Gaumen dieser jungen Köche zu schulen. Danach finden wir alles Weitere, zum Beispiel welche Speisen sich kombinieren lassen, welche Rhythmen und Zutaten es braucht. Wenn sie das verstanden haben, können wir mit dem Kochen anfangen. Natürlich ist jeder Mensch anders, und man muss ein Gefühl dafür entwickeln, wie weit sich jemand pushen lässt. Es ist fast so, dass man die Leute von dem, was sie zu wissen glauben, befreien muss. Erst dann kann man sie wieder entwickeln. Dann kann man sie ins kalte Wasser werfen, Druck ausüben. Das ist die Champions League, die Drei-Sterne-Welt. Das ist ein harter, anstrengender Job, und man muss das Tempo mitgehen wie sonst nirgendwo.

Oft wird gesagt, dass es so unglaublich schwer sei, einen einzigen Michelin-Stern zu bekommen – und dass die, die ihn dann behalten, oft ihre Seele dafür verkaufen. Mit dem Restaurant Gordon Ramsay haben Sie Ihre drei Michelin-Sterne jetzt schon 23 Jahre lang, eine schier unglaubliche Zeit. Ist das Gordon Ramsay das perfekte Restaurant?

Ganz klar: Ja! Perfektion gehört zum Konzept des Restaurants. Wir haben zehn Tische, sind an fünf Tagen pro Woche geöffnet. Es geht hier nicht darum, großes Geld zu machen oder Aktionäre zufriedenzustellen. Manche Chefköche betreiben ihre Restaurants in glamourösen Fünf-Sterne-Hotels, haben königliche Speisesäle – mit Tischdecken aus weißem Leinen und mit Weinkarten, die Millionen wert sind. Aber auch da rum geht es hier nicht. Es geht einzig und allein um Konsistenz. Was wir geschafft haben, ist ungefähr so, als würde man Jahr für Jahr die Champions League gewinnen, und das über mehr als zwei Jahrzehnte. Aber ich bin immer noch nervös, jedes Jahr aufs Neue. Ich feiere jeden Koch und jeden Kellner, der bei mir im Restaurant arbeitet, wenn wir es wieder einmal schaffen, diese Auszeichnung zu bestätigen.

Lässt sich diese Perfektion anderswo wiederholen?

Klar, das ist möglich. Für jedes Business existiert eine Formel. Von den vielleicht 50 Chefköchen, die in einem Jahrzehnt bei mir arbeiten, gibt es den einen, der wirklich alles aufsaugt und versteht. Der wird so eine Art Mini-Ausgabe von mir. Dann ist die Zeit gekommen, diesem Menschen ein eigenes Geschäft zu übergeben und ihm dabei zuzusehen, wie er sich selbst zum Star entwickelt. So wie Clare Smyth, die zehn Jahre lang das Restaurant Gordon Ramsay geleitet hat. Jetzt ist sie die erste britische Frau, die drei Sterne hat. Als ich selbst mit 34 Jahren meinen dritten Michelin-Stern erhalten hatte, habe ich mir jeden Drei-Sterne-Koch auf dem Planeten angesehen und mich gefragt: „Will ich so sein wie der?“ Bei 95 Prozent wollte ich das nicht. Ich habe begriffen, dass ich delegieren muss. Um das Geschäft auszubauen, musste ich Verantwortung abgeben und Talente entwickeln. Du darfst dich selbst nicht zu wichtig nehmen, sonst gehst du unter. Du ertrinkst, brennst aus, bekommst einen Bypass – und das alles noch vor deinem 50. Geburtstag. Vielen Leuten in meiner Position ist es so ergangen. Die fünf Prozent der Drei-Sterne-Köche allerdings, die ich mir gerne zum Vorbild nehmen wollte, hatten ein Gleichgewicht gefunden. Das war immer mein Ziel: eine Balance finden, Leute entwickeln, die Zügel abgeben, weiterziehen. Ich wollte mich nicht an den Herd fesseln lassen, sondern wachsen.

Es heißt, Sie lieben es, die Dinge zu kontrollieren. Wie schaffen Sie es da, Verantwortung abzugeben?

Ich mische mich nicht in jede Kleinigkeit ein, sondern will, dass meine Leute das selbst hinkriegen. Deshalb werfe ich sie gerne ins kalte Wasser. Aber für den Fall, dass etwas schiefgeht, stehe ich immer noch mit einem Rettungsring am Beckenrand. Ich gebe ihnen die Möglichkeit zu fallen, bin bereit, sie aufzufangen, will ihr Selbstvertrauen dabei immer am Maximum halten. Delegieren können heißt auch zu begreifen, an welchem Punkt ein Fehler entsteht. Auf diesem Niveau sind das oft winzige Details, die nur wenige erkennen würden. Doch unerkannt summieren sich diese kleinen Details zu großen Problemen.

Wir haben viel über harte Arbeit gesprochen. Hatten Sie auch mal richtig viel Glück?

Perfektion hat nichts mit Glück zu tun. Dann könntest du auch gleich Lotto spielen. Und wenn du morgens aufwachst und denkst, die Dinge werden schon irgendwie klappen, dann bist du sowieso erledigt. Zum Beispiel steht jetzt die Eröffnung des größten und außergewöhnlichsten Projekts meiner Karriere bevor. Im Londoner Bürokomplex 22 Bishopsgate, für mich einer der beeindruckendsten Orte der Welt, investieren wir 22,5 Millionen Euro in fünf Restaurants. Alle Fehler und Erfahrungen aus meinen früheren Projekten fließen hier ein. Alles ist bis ins letzte Detail durchdacht und perfektioniert. Und Gleiches gilt für mich als Mensch. Ich bin heute morgen drei Stunden lang Fahrrad gefahren, von sechs bis neun Uhr, dann in die Sauna gegangen, anschließend noch in die Kryokammer. Viele Leute fänden so ein intensives Training sicher hart und zermürbend, aber für mich ist es befreiend. Ich kann dabei alles überdenken und verarbeiten, fühle mich danach fit wie ein Turnschuh.

Was motiviert Sie? Was macht Ihnen besonders Freude?

Am meisten freue ich mich, wenn ich meine Gäste treffe. Ich will den Leuten Freude und Vergnügen bereiten, eine besondere Verbindung zu ihnen herstellen. Ich will Erinnerungen schaffen, die ein Leben lang halten, die ein Leben vielleicht auch verändern. Manche Leute kaufen Schmuck, andere lieber Autos. Und wieder andere leben für hervorragendes Essen. Ich liebe es, in meinen Restaurants Menschen zu treffen, die einen Monat lang gespart haben, nur um sich ein besonderes Genusserlebnis leisten zu können. Wir arbeiten auch viel mit Make-A-Wish zusammen, einer Organisation, die schwer kranken Kindern außergewöhnliche Erlebnisse ermöglicht. Das sind dann Momente, die ich am liebsten festhalten würde. Vor allem wenn man ahnt, dass einer der Menschen, der da gerade mit am Tisch sitzt, in zwei Wochen oder Monaten vielleicht nicht mehr da sein wird.

Wie sind Sie organisiert? Wie halten Sie es mit dem Zeitmanagement?

Ich kann gar nicht beschreiben, wie kostbar eine einzige Stunde ist. Mein Kalender wird zwölf bis 14 Monate im Voraus geplant. Aber wo ich in den kommenden sechs Monaten sein werde, kann ich auch ohne einen Blick auf diesen Kalender sagen. Und dann habe ich Rachel Ferguson, meine fantastische persönliche Assistentin. In Wahrheit ist sie viel mehr als eine Assistentin. Sie ist eine Art große Schwester für meine Köche. Und eine Art Mutter Teresa für die Fälle, wenn irgendwo etwas schiefgeht.

Zurück zu 22 Bishopsgate. Wie gehen Sie ein Projekt dieser Größe an?

Wir mussten uns gegen starke Konkurrenz durchsetzen, gegen große Player, die diesen Standort für sich wollten. Was mich nicht wundert, denn als ich das erste Mal durch das Gebäude gegangen bin, wäre mir fast die Luft weggeblieben. Ich konnte bis nach Oxford blicken, auf den Gherkin-Tower hinabschauen und auf Helikopter, die unter uns ihre Runden drehten. Ich werde hier fünf Restaurants eröffnen, darunter das außergewöhnliche Gordon Ramsay High.

Was wird daran so besonders sein?

Es gibt keinen Speisesaal, der Tisch steht in der Küche. Man kommt an und nimmt dann für dreieinhalb Stunden mitten in der Küche Platz. Alles wird live vor den Augen der Gäste zubereitet. Zwischen den Gängen kann man aufstehen, herumgehen und sich anschauen, wie groß der Level an Perfektion ist.

Was hat es mit der Kochschule auf sich, die neben den fünf Restaurants entsteht?

Ich bin unglaublich frustriert, wenn ich mir die vielen phänomenalen Kochschulen in Europa und den USA ansehe. Denn diese Schulen sind ja tatsächlich fantastisch, und sie können sich vor Bewerbern kaum retten. Das Problem ist allerdings: Wer nach zwei, drei Jahren dort mit der Ausbildung fertig ist, der hat Schulden in sechsstelliger Höhe. Die Absolventen nehmen dann Jobs an, mit denen sie ihre Schulden schnell abbezahlen können. Das sind aber nicht die Jobs, die sie auch weiter wachsen lassen. Und so würgen sie ihre Karrieren ab.

Was wollen Sie anders machen?

In meiner Akademie bieten wir Schnellkurse an – 30, 60 oder 90 Tage lang. Im ersten Monat bringen wir den Leuten zwölf Rezepte bei. Sobald sie die perfekt beherrschen, kreieren sie auf dieser Grundlage etwas eigenes. Im zweiten Monat gehen wir auf 18 Rezepte, dann im dritten Monat auf 20 – plötzlich haben die Leute ein Repertoire von 100 Gerichten. Ich garantiere ihnen dann einen Job, der ihren Ambitionen entspricht. Diese Akademie liegt mir am Herzen. Wir müssen die jungen Leute aus diesem dysfunktionalen System befreien.

Das klingt ja fast schon wie ein Vermächtnis …

Ach was. Ich bin noch längst nicht fertig, sehe mich eher auf halber Strecke. Vielleicht sprechen wir ja in 30 Jahren noch mal. Dann dürfen Sie mich gerne nach meinem Vermächtnis fragen.