Nächste Ausfahrt: Guter Geschmack
Es gibt viele Anekdoten zu Massimo Bottura. Eine, die am besten sein Wesen beschreibt, ist die, wie er in der US-Talkshow von Jimmy Kimmel spontan ein Gericht aus Lebensmittelresten des Mitarbeiterkühlschranks zauberte. Ein Dinner, unter anderem bestehend aus Bagels und einigen matschigen Supermarkttomaten: Im Koch Bottura schlummert auch nach Jahren am Herd immer noch diese kindliche Art, etwas erschaffen zu wollen, das zuvor noch niemand gemacht hat – um es dann mit ungewöhnlichen Namen zu versehen.
Seine Gerichte heißen beispielsweise "Der Aal schwimmt den Po hinauf" oder "Ups, ich habe den Limonenkuchen fallen lassen". Sie sind die perfekte Transformation der traditionellen, regionalen italienischen Küche ins 21. Jahrhundert.
Seit Bottura in der Netflix-Doku Chef’s Table zu sehen war und sein Lokal zweimal zum besten Restaurant der Welt gekürt wurde, ist der Koch mit den drei Michelin-Sternen endgültig der aktuell wichtigste Mann am Herd. Entsprechend ist eine Reise in seine kulinarische Welt zurzeit das Beste, was der an Gourmetfreuden Interessierte erleben kann.
Perfektion geht bei Massimo Bottura bis ins letzte Detail
Der italienische Sportwagenhersteller Maserati hatte kürzlich zur Vorstellung seiner neuen SUV-Variante Levante Trofeo geladen. In Botturas neues Zwölf-Zimmer-Hotel, die Casa Maria Luigia etwas außerhalb von Modena. Auch Massimo Bottura fährt ein Auto der Marke. Und zwar ein Cabrio, mit dem er, begleitet von Jazzmusik, durch das große Eingangstor seiner Hotelanlage hindurchfährt – der Meister betritt die Bühne.
Nach dem Aussteigen begrüßt er alle Anwesenden ehrlich und offenherzig, als sei man seit Jahren befreundet, bevor er ein Begrüßungsgetränk der besonderen Art anbietet: einen Aceto di Balsamico, die Spezialität der Region, von der Bottura zu sagen pflegt, sie fließe durch seine Adern. Dann gießt er Prosecco darüber: "Bitte probieren, ein Gedicht!"
Nach der Balsamico-Prosecco-Kreation und einer kurzen Ansprache geht es in Botturas neues Heiligtum: einen Ableger der Osteria Francescana auf dem Areal seines Hotels, eröffnet im Sommer 2019. Es nennt sich Francescana at Maria Luigia. Bottura serviert hier ein Neun-Gänge-Degustationsmenü mit Weinbegleitung, natürlich auf dem Niveau seines preisgekrönten Hauptlokals in Modena. Preis pro Person: 450 Euro.
Trotz Vorkasse war das erste Abendessen im Herbst nach wenigen Stunden ausverkauft. Im schlichten Speisesaal hängen Bilder des Künstlers Damien Hirst und stehen gerade einmal drei Tische. Bottura stellt sich in die Raummitte: "Ich möchte, dass fremde Menschen hier an einem Tisch dinieren und einen wunderbaren Abend verbringen." Es sei eine Art Passion von ihm, die Leute zu verbinden, Menschen zu unterhalten und sie durch die Kraft und Magie eines gemeinsamen Essens zu Freunden zu machen.
Das Anwesen ist wie sein Essen: Schlicht Weltklasse
Es folgt der erste Gang: Die Kellner reichen einen Teller mit einer Auster, in der eine geeiste weiße Kreation aus Seetang, Kaviar und Lammtatar liegt. Und Bottura bleibt seinem Motto, die Menschen unterhalten zu wollen, treu: Zu allen folgenden Gängen erzählt er eine Geschichte aus seinem Leben, stellt Bezüge und Querverbindungen her.
Jeder Gang, den Bottura servieren lässt, ist ein bis ins Detail durchdachtes Meisterwerk – ganz gleich, ob es die Kreation "Die fünf Jahrgänge des Parmesankäses" oder der Klassiker "Der knusprige Teil der Lasagne" ist, bei dem er einfach die Pasta weglässt und nur den Käse serviert.
Gang acht von neun ist eine Hommage an seinen Lieblingskünstler Damien Hirst mit dem Originaltitel "Beautiful Psychedelic Spin-Painted Veal, Not Flame Grilled": ein rosa flambiertes Stück Kalbfleisch, das von fünf farbigen Soßenspritzern umrahmt in der Mitte des Tellers liegt. "Sieht das nicht wahnsinnig aus? Ich liebe das!" Botturas Augen leuchten wie die eines Kindes, das ein großes Eis spendiert bekommt.
Zu allen Kreationen erzählt er eine Geschichte seines Lebens
Beim Gespräch später, draußen auf der Terrasse, wird er dann ruhiger und zeigt, dass er mehr als nur Unterhalter ist. Die Sonne spiegelt sich im Hauptgebäude der im 18. Jahrhundert erbauten Casa Maria Luigia, Bottura blickt hinüber zum Teich. "Vor ein paar Jahren sagte ich zu meiner Frau Lara: Wir haben so viel Kunst gesammelt, wir brauchen einen Platz, um sie mit anderen Menschen zu teilen. Daraus entwickelte sich die Idee mit dem Hotel." Man spürt, er liebt dieses Anwesen, das er 2017 kaufte und dann umbauen ließ.
Die Marke Bottura ist innerhalb der Kulinarik ein Leuchtturm
Das Hotel ist kein Ausstellungsraum für Designermöbel und Kunst geworden, sondern ein Platz, an dem man sich in kürzester Zeit wohlfühlt. "Wenn ich unterwegs bin, habe ich nicht viele Ansprüche, aber werde trotzdem oft enttäuscht", sagt Bottura. Genau das wollte er ändern – stellvertretend für alle Reisenden –, sollte er mal ein eigenes Haus eröffnen. Es müsse bei ihm eine Art von positiver Energie herrschen.
Wohl auch deshalb gibt es einen sogenannten Music Room: Botturas Plattensammlung, präsentiert in einem grünen Raum, in dessen Mitte ein Sessel steht – natürlich "so ausgerichtet, dass man den besten Sound in den Ohren hat." Perfektion geht bei Bottura eben bis ins Detail.