Klaus St. Rainer und sein Yuzu Taketsuru
Eigentlich hätte ich liebend gerne einen biografischen Roman über Taketsuru Masataka geschrieben. Das Leben des japanischen Whisky-Pioniers, Chemikers und Unternehmers bietet genügend Stoff, um Bibliotheken zu füllen. Um nur sein wichtigstes Verdienst zu nennen: Mit dem Wissen, das er sich auf seinen Reisen aneignete, gründete er die Nikka-Destillerie – und sorgte so dafür, dass japanischer Whisky bis heute auf einer Stufe mit dem schottischen steht. Weil mir für literarische Langstrecken die Geduld fehlt und meine Stärke eben hinter der Bar liegt, habe ich ihm lieber ein flüssiges Denkmal gebaut und einen Cocktail nach ihm benannt.
Erinnerungen an Partynäche in Moskau
Taketsurus Arbeit bestärkte mich aber darin, in vielen Ländern zu arbeiten und Wissen zu importieren. Eine meiner liebsten Erinnerungen? Moskau. Zwei Tatsachen machten die Stadt für mich zu einem Sehnsuchtsort: Einerseits war dort der fachliche Standard unglaublich hoch. Andererseits ist die Gastfreundschaft einzigartig. Die derben Witze und lustigen Gespräche brachten mich während des Corona-Lockdowns sogar dazu, Russisch zu lernen. Durch den Krieg ist das nun unnützes Wissen, zumindest mittelfristig.
Ein Abend wird mir immer im Gedächtnis bleiben: Einer meiner Mitarbeiter und ich hatten gerade eine lange Schicht in einer hochpreisigen Bar in der Nähe des Kreml hinter uns gebracht, als mir jemand auf die Schulter klopfte. Als ich mich umdrehte, stand ein stark tätowierter Typ vor mir. Er lächelte und gab so den Blick auf seine Vampirzähne frei. Ja. Vampirzähne. Scharfe, lange Eckzähne, speziell angefertigte Zahnprothesen. Er sagte, wir seien ihm sympathisch. Er wolle uns einladen. Über der Bar betreibe er ein Tattoostudio. Dort habe er alles, was man sich nur wünschen könne: „We have whisky, vodka, babushka, balalaika, HIV and heroin.“ Wir lachten und stiegen die Treppen zum Tattoostudio hinauf.
Japanischer Whisky wird eingeführt
Während immer mehr Leute ins Studio strömten und die spontane Party an Fahrt aufnahm, ließen wir uns vom Vampir ein Tattoo stechen: den Begriff „Ruki Kruki“ in Kyrillisch. Es ist der Name des Studios und bedeutet „Tollpatsch“ oder wörtlich übersetzt „zwei verkrüppelte linke Hände, die dir aus dem Hintern wachsen“. Passend für mein Handwerk, wie ich finde. Wir tranken, lachten, lernten unzählige interessante Leute kennen – und torkelten schließlich in Richtung Hotel. Die Sonne war aufgegangen, die Straßen Moskaus füllten sich langsam mit Menschen. Wir kamen an einem Supermarkt vorbei und beschlossen, noch einen letzten Absacker zu trinken.
In russischen Geschäften gibt es eine Sperrstunde für Alkohol. Nachts werden Metallgitter vor den Spirituosen heruntergelassen. In dem Moment, in dem wir vor dem verschlossenen Regal standen und kehrtmachen wollten, wurde das Gitter hochgezogen. Ganz langsam, nach und nach wurde die gesamte Palette an Flaschen sichtbar. Mein Blick fiel auf einen japanischen Whisky, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Fest davon überzeugt, einen Schatz zu heben, kaufte ich drei Flaschen, um sie später mit nach Deutschland zu bringen. Dass ich nur die Markteinführung des Nikka Days in Deutschland verpennt hatte, tut dabei nichts zur Sache.
Ein Smash Cocktail mit Nikka Whisky
Dieser Whisky ist leicht, hochwertig und preiswert. Mit ihm konnte ich dieses Rezept wiederbeleben, für das ich ursprünglich einen anderen japanischen Whisky verwendet hatte, der jedoch zu teuer geworden war, um ihn zu mixen. Der Yuzu Taketsuru ist ein Smash. Smashes sind Sours, die mit frischen Kräutern und/oder Früchten geshakt werden. Doch zurück nach Moskau: Als der Kater verflogen war und wir uns wieder an die Arbeit machten, klingelte mein Handy. Der Vampir fragte, ob wir Lust hätten, nach unserer Schicht raufzukommen. Er habe da noch ein paar Tattoos und Drinks, um die wir uns kümmern müssten. Ich trage Moskau bis heute auf meiner Haut. Jedes Mal, wenn ich an mir herunterschaue und die kyrillischen Buchstaben sehe, denke ich an den Vampir, den japanischen Whisky und Russland, wie es einmal war.
Rezept für den Yuzu Taketsuru
Zutaten
- 20 ml Yuzu Sake
- 50 ml Nikka Whisky of Choice
- 30 ml frisch gepresster Zitronensaft
- 2 Barlöffel Puderzucker
- 1 Eiweiß
- kleine Hand voll Shisoblätter
Zubereitung
Alle Zutaten im Shaker auf solidem Eis sehr kräftig schütteln und in einen Tumbler gefüllt mit Crushed Ice fine strainen. Mit einem Shisoblatt garnieren.
Pflichtlektüre
„Homebar: Easy Cocktails für Zuhause” von Klaus St. Rainer