Klaus St. Rainer und sein Vanilla Punch

In unserer Kolumne lädt Klaus St. Rainer, der Chef der Goldenen Bar in München, an die Bar und serviert neben Gedanken einen Drink. Dieses Mal: seinen Vanilla Punch.

Als ich als junger Bartender in die Gastronomie kam, Ende der Achtzigerjahre, war Cognac ein Mysterium. Da hat jemand Cognac bestellt? Wie mache ich den richtig? Ich wärmte also überdimensionierte Schwenker mit Wasser aus der Espressomaschine an, so wie ich es von anderen Bartendern gelernt hatte, goss einen Schluck ein, servierte und hoffte aufs Beste. Ein gutes Beispiel für das Halbwissen, das beim Stichwort „Cognac“ bis heute kultiviert wird. Denn überdimensionierte Schwenker ersetzt man besser durch kleine Nosing-Gläser, wenn man Cognac pur trinken möchte. Und: Hohe Temperaturen zerstören den Geschmack. Unzählige edel gereifte Cognacs sind dem Irrglauben zum Opfer gefallen, man müsse Cognac möglichst warm trinken.

Cognac eignet sich hervorragend für Cocktails

„Cognac mixt man nicht“, war ein anderes Dogma, das in Deutschland genauso verbreitet wie abwegig ist. Vielleicht lag es an den Nachwirkungen der Fünfzigerjahre, als Cognac teuer importiert werden musste und nur zu besonderen Anlässen auf den Tisch kam. Cognac verkam zur Randerscheinung. 2007 übersetzte ich den Bartender’s Guide von Jerry Thomas, das erste Cocktailbuch der Geschichte, ins Deutsche und stellte dabei fest: Cognac ist ein großartiges Produkt für Cocktails. Thomas’ Buch war voll von Weinbrand-Rezepten, die durch einen guten Cognac noch tiefer, milder und komplexer wurden – und durch ihre Einfachheit heute noch einwandfrei funktionieren. Zwar hat Thomas den Cocktail nicht erfunden, ihn aber neu gedacht.

Bei meiner Arbeit recherchierte ich eine Menge über die Zutaten, Spirituosen, Trinkgewohnheiten und Lebensumstände im New York des Jahres 1862. Neben den simplen und deswegen zeitlosen Rezepten, nach deren Grundsätzen auch heute noch viele Cocktails gemixt werden, faszinierte mich jedoch am meisten der Mensch Thomas: Bevor er mit seinem Bruder die erste moderne Bar Amerikas eröffnete, heuerte er als Hochseefischer an, verdingte sich als Goldgräber in Klondike und bereiste die Welt. Er trank in Saloons, Tavernen und Gasthäusern, lernte von Gastronomen und entwickelte schließlich eine eigene Idee: einen Ort schaffen, an dem er seine Kreationen standesgemäß präsentieren kann. Einen Ort, an dem hochwertige Drinks und Genuss im Mittelpunkt stehen. Einen Ort, in dem Stil genauso viel zählt wie Rausch. 

Jerry Thomas hat den Vanilla Punch erfunden

Thomas eröffnete eine schummrige Bar ohne Fenster, mit Bildern an den Wänden und Tresen aus Edelholz. Thomas war ein Entertainer und kultivierte sein Handwerk. Seine Gäste empfing er in Anzug und Schlips, er trug diamantenbesetzte Manschettenknöpfe, er mixte ausschließlich mit eigens für ihn angefertigtem Werkzeug – was mich dazu inspirierte, eine eigene Shaker-Manufaktur zu gründen, das ist aber eine andere Geschichte. Den Urvater aller Bars zeichnete aber noch etwas anderes aus: Der Mangel machte ihn kreativ. Er musste mit den Spirituosen arbeiten, die gerade im Hafen gelöscht wurden. Mal war es billiger Brandy, dessen Geschmack man bestenfalls überdecken konnte. An anderen Tagen war es ein edler Cognac, dessen Charakter er betonen wollte. Thomas erarbeitete sich ein riesiges Verständnis, um den jeweiligen Grundstoff herauszuarbeiten und in ein nettes Kleid zu hüllen. Der Vanilla Punch, den ich hier vorstelle, ist eine von Thomas’ Kreationen, die Modell für zahlreiche andere Cocktails standen, die wir heute kennen.

Jerry Thomas und seinen Einfluss auf mich würde ich in einem Wort zusammenfassen: Veredlung. Ich nehme etwas Gewöhnliches, stecke Aufwand, Leidenschaft und sorgsame Arbeit hinein – und erschaffe einen einzigartigen Wert. Bei Cognac wird das anhand seiner Basis deutlich: Er wird in der Präfektur Cognac, in der Region Nouvelle-Aquitaine, aus dem Wein der Ugni-Blanc-Rebe gebrannt. Und wie dieser Tropfen im Urzustand schmeckt, drückte ein Freund einmal sehr robust, aber sehr treffend so aus: „Das Zeug kannst du nicht saufen.“ Wässrig, sauer, nichts für Menschen mit Geschmacksknospen. Erst durch die Destillation und das Reifen im Fass entsteht etwas Außergewöhnliches, der Cognac. Ein Mysterium.

Rezept für den Vanilla Punch

Zutaten

  • 60 ml Hennessy V.S.O.P. Cognac
  • 30 ml frisch gepresster Zitronensaft
  • 2 Barlöffel Vanillezucker 
  • 10 ml Vanillelikör

Zubereitung

  • Alle Zutaten im Shaker auf Eis hart shaken und in ein mit Crushed Ice gefülltes Becherglas seihen. Mit etwas Crushed Ice toppen und mit einem Stück Vanilleschote garnieren.
  • Um das Vanillearoma zu intensivieren, gebe ich noch einen Schuss Vanillelikör hinzu. Alternativ kann man auch einen selbst gemachten Vanillesirup verwenden, der selbst herzustellen ist: Zuckersirup kochen, in Flaschen abfüllen, drei längs ausgekratzte Vanilleschoten in die Flasche geben und dunkel und kühl lagern. Ein Schuss Wodka im Sirup verlängert die Haltbarkeit. 
  • Der Vanillezucker ist auch gleich gemacht. 500 g Puderzucker mit zwei ausgekratzten Vanilleschoten in eine Tupperware geben, 2 Tage warten und gelegentlich schütteln.

Pflichtlektüre

„Homebar: Easy Cocktails für Zuhause” von Klaus St. Rainer