Klaus St. Rainer und sein Mizuwari
Vor 100 Jahren, im Jahr 1923, hat Suntory die erste Whisky-Destillerie auf japanischem Boden gebaut. Heute ist Whisky japanischer Herkunft kein Exot mehr, sondern zum Gold-Standard für Brände geworden – und eine meiner persönlichen Lieblingsspirituosen. Darauf würde ich gern anstoßen. Mit einem Drink, der wie kein anderer für japanische Barkultur steht: dem Mizuwari. Obwohl ich seinen Namen nicht kannte, hatte ich den Drink schon häufig im Glas. Jedes Mal, wenn ich Whisky trinke, gebe ich einen kräftigen Schluck Wasser (und gelegentlich Eis) hinzu. Tageszeit, Laune und Anlass entscheiden über das Mischverhältnis. Durch das Verdünnen mit Wasser können sich manche Aromen im Whisky viel besser entfalten und schmecken intensiver. Das Mundgefühl ist aber weich und erinnert an Tee.
Serviert wird der Cocktail bei einer Zeremonie
Dass man in Japan diese Art, Whisky zu trinken, Mizuwari nennt, erfuhr ich erst sehr viel später, bei der Arbeit in einem japanischen Premium-Restaurant. Hier lernte ich nicht nur viel über japanisches Essen und Drinks, sondern auch über Service. Dazu kommen wir später noch. Der Mizuwari hat dem Erfolg des japanischen Whiskys erheblich Vorschub geleistet. Traditionell wurde ein Mizuwari zunächst mit Shochu, einem Getreidedestillat, gemixt. Nachdem Japan den Whisky für sich entdeckt hatte, verschwand diese Sitte jedoch nachhaltig. Nicht nur eingefleischte Whisky-Puristen werden sich nun fragen, ob das alles ist. Whisky, Wasser und Eis? Ja und nein. Denn wer den Mizuwari auf seine bloßen Bestandteile reduziert, verkennt seinen Wert. Gut gemachtes Sushi ist schließlich auch mehr als ein bisschen Fisch und Reis. Es ist ein Erlebnis.
Wer in einer Bar einen Mizuwari ordert, wird zunächst bei der Wahl des Whiskys beraten. Japanischer Whisky eignet sich bestens für den Drink, weil der oft auf genau diesen Zweck komponiert wurde. Dann wird in präzisen Arbeitsschritten das Glas durch Rühren mit Eis vorgekühlt, der Whisky mit einem handgeschnitzten Stück Eis gerührt, filtriertes, eiskaltes Wasser hinzugegeben, wieder gerührt. Zuletzt wird der Drink präsentiert. Eine perfekt abgestimmte Choreografie, die der traditionellen Teezeremonie entlehnt ist und genauso zum Wohlbefinden des Gastes gehört wie der Genuss des Mizuwari selbst.
Symbol für japanische Gastfreundschaft
Diese Detailverliebtheit hat mich bei meiner eigenen Arbeit oft inspiriert. Sie ist keine Show, sondern Ausdruck einer Idee, die tief in der japanischen Mentalität verwurzelt ist und ganz selbstverständlich gelebt wird. Sie begegnet einem in hochpreisigen Cocktailbars genauso wie in einem Supermarkt oder dem Wohnzimmer eines japanischen Freundes: Omotenashi, die Gastfreundschaft. Die japanische Auslegung des Wortes ist eine sehr viel weitreichendere als in anderen Kulturkreisen. Man konzentriert sich voll auf den Gast und wendet für ihn sein ganzes Können und Ressourcen auf, um ihm eine gute Zeit zu bescheren. Dafür erwartet man keinerlei Gegenleistung. Trinkgeld? In Japan deshalb ein Fremdwort.
Sollten Sie bei einer Japan-Reise den Mizuwari vor Ort trinken wollen, bringen Sie etwas Geduld mit. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Es kann einige Anstrengung kosten, um den Bartender davon zu überzeugen, dass man wirklich einen Mizuwari bestellen will. Unter „Westlern“ ist der Drink so unbekannt, dass japanisches Personal schlicht davon ausgeht, man habe sich versprochen oder verwechsele den Mizuwari mit einem High Ball, der mit Sodawasser zubereitet wird und einer der populärsten Drinks in Japan ist. Aber das ist eine ganz andere Geschichte ...
Rezept für den Mizuwari
Zutaten
50 ml TOKI Japanese Whisky (ist wie gemacht für Mizuwari, theoretisch geht aber jeder Whisky)
50 ml eiskaltes Leitungswasser
Zubereitung
Man gibt Eis in ein kleines Longdrinkglas und füllt es zu einem Drittel mit dem Whisky, auf den man gerade Lust hat. Schließlich gibt man ganz langsam und unter ständigem Rühren eiskaltes Wasser dazu. An seinen perfekten Mizuwari kann man sich mit verschiedenen Mischungsverhältnissen herantasten. Wer leichter genießen möchte, nimmt einfach mehr Wasser. Ich mixe meinen Mizuwari gerne 50:50.
Pflichtlektüre
„Homebar: Easy Cocktails für Zuhause” von Klaus St. Rainer