Klaus St. Rainer und sein Canchánchara

In unserer neuen Kolumne lädt Klaus St. Rainer, der Chef der Goldenen Bar in München, an die Bar und serviert neben Gedanken einen Drink. Dieses Mal: seinen Canchánchara.

Canchánchara. Can-chán-cha-ra, mit Betonung auf der zweiten Silbe. Keine Angst, es ist völlig okay, über den melodischen Namen des Cocktails zu stolpern. Mehr als einmal habe ich beobachtet, wie Gäste diesen Drink auf der Karte entdeckt und sich immer wieder lautlos vorgelesen haben. Schließlich bestellen die meisten dann doch etwas, das ihnen flüssiger über die Lippen geht. Vielleicht gilt der Canchánchara deswegen im mitteleuropäischen Sprachraum als Kenner-Drink, obwohl er das Potenzial hätte, Bestsellern wie dem Mojito den Rang abzulaufen – in Bars wie auf privaten Feiern. 

Der Canchánchara passt zu jedem Anlass

Denn außer seinem Namen ist alles am Canchánchara bestechend simpel. Seine Zutaten: dunkler, im Holzfass gereifter kubanischer Rum, Limette, Honig. Seine Zubereitung: nicht der Rede wert. Ein Trick hilft dabei, den Honig sauber zu portionieren und zu mixen: Runny Honey. Man füllt ein Glas Honig in einen Topf, gibt einen kräftigen Schluck Wasser hinzu, erwärmt ihn kurz, bis er sich verflüssigt, und verwandelt so die zähe Masse in dauerhaft flüssige Melasse, den Runny Honey. So verhindert man auf professionellem Weg, dass sich der Honig am Boden des Trinkglases absetzt oder an den Händen, der Kleidung und dem Bar-Equipment hängen bleibt.

Zurück zum Canchánchara: Aperitif, Absacker oder Tanzflächen-Accessoire, er kennt keinen Anlass und schmeckt immer. Über seine Entstehung kursieren unterschiedliche Theorien, in denen mal Plantagenarbeiter, mal Freiheitskämpfer als Erfinder genannt werden. Sicher ist: In den ländlichen Regionen Kubas wird er seit Jahrzehnten als Brotzeit am heimischen Küchentisch serviert – niemand würde dort auf die Idee kommen, seinetwegen in eine Bar zu gehen. Ein weiteres Detail macht ihn für mich spannend: Er ist Teil eines Trends, der die Drink-Kultur verändert und mir persönlich neue Welten erschlossen hat.

Kubanische Musik verändert Cocktailkultur

Im Jahr 1997 haben viele Trinkfreudige Berührungsängste mit klassischen Bars. Wer auf der Suche nach gut gemachtem, hochwertigem Hochprozentigen ist, findet sich in schummrigen Räumen, umgeben von Ledersesseln, Zigarrenrauch und gedämpftem Jazz, wieder. Nicht jedermanns Geschmack. So besteht das Publikum eher aus älteren Herren und leichten Damen. Auch im Aficionado, einer ehemals legendären Bar in München, in der ich während meiner Arbeit dort den Canchánchara erstmals im Glas hatte, mixen und schätzen lernte. Obwohl das Aficionado mit spektakulärem Interieur aufwartet – einem aus Amerika importierten antiken Tresen, einem begehbaren Humidor, Chesterfield-Couches, Snooker-Tisch –, war die Bar für junges Feiervolk anfangs uninteressant. Die Revolution kam dann aus Kuba: Buena Vista Social Club. Ein Album mit klassisch kubanischer Musik steht auf Platz 1 der deutschen Charts. 166 Wochen lang. Der gleichnamige Film von 1999 kurbelt den Trend weiter an.

Plötzlich spielen luxuriöse Hotelbars und Eckkneipen die gleichen 14 Titel in Endlosschleife. Plötzlich verirren sich junge Gäste in klassische Cocktailbars und ordern, ganz selbstverständlich, einen Mojito, einen Daiquiri oder einen Cuba Libre. Plötzlich sprießen selbst in kleineren Ortschaften „Strandbars“ mit Kuba-Beflaggung aus dem Boden. Die Insel schlägt eine Brücke zwischen alt eingesessenem Barpublikum und der neuen Generation. Kuba ist der kleinste gemeinsame Nenner und entwickelt sich auch zum identitätsstiftenden Sehnsuchtsort vieler neuer Bars. Das spiegelt sich bis heute in einigen Cocktailkarten wider. Um diesem unvergesslichen Kapitel in der Cocktailgeschichte geschmackvoll Rechnung zu tragen, empfehle ich deswegen diesmal einen der wohl authentischsten kubanischen Drinks: den Canchánchara.

Rezept für den kubanischen Cocktail

Zutaten

60 ml Eminente Rum Reserva

30 ml frisch gepresster Limettensaft 

20 ml Honig

 

Zubereitung

Alle Zutaten auf Eis in einem Becherglas oder Tumbler verrühren.

 

Pflichtlektüre

„Homebar: Easy Cocktails für Zuhause” von Klaus St. Rainer