Akustische Interpretation des Krug-Champagners
Das erwartet Sie hier:
Berühmt, teuer, edel: Maison Krug
Kennengelernt haben wir Julie Cavil an einem Aprilmorgen im Jahr 2019. Gemeinsam standen wir in Gummistiefeln und mit Gläsern bewaffnet in einem der berühmtesten Weinberge der Welt, dem grade mal 1,85 Hektar großen Clos du Mesnil, wo die Maison Krug den berühmtesten - und teuersten - Blanc de Blanc Champagner der Welt produziert. Zu diesem Zeitpunkt war Julie noch rechte Hand von Krugs langjährigem Kellermeister Eric Lebel. Inzwischen ist Julie selbst Chef-du-Cave und gleichzeitig die erste Frau auf diesem Posten seit der Gründung des Hauses durch Joseph Krug im Jahr 1843 - eine der prestigeträchtigsten Jobs, die die Champagnerwelt zu vergeben hat.
Geschmack und Klang: Synästhetische Erlebnisse
Schauplatz unseres Wiedersehens ist ein Hinterhof am Prenzlauer Berg. Über rostige Treppenstufen geht es hinunter ins Kellergeschoss einer alten Brauerei und weiter durch endlose, nur durch Kerzen und nackte Glühbirnen erhellte Korridore bevor wir einen Saal er- reichen, dem freiliegende Stahlträger, rohes Mauerwerk und eine schwarze Glitzerkugel an der Decke typischen Berliner Rustic-Chic verbreiten. Mittendrin der Ambient Music Jungstar Niklas Paschburg. Er hatte die Aufgabe übernommen, den Esprit der neuen Grande Cuvée Edition 164 in ein musikalisches Äquivalent zu übersetzen und soll nun das Ergebnis live am Piano aufführen, unterstützt von diversen Synthesizern und Soundmachines.
Die Musikalische Interpretation der Krug-Champagner von Niklas Paschburg und die IRCAM-Sound-Experience gibt es hier zum Nachhören:
Universale Sprache: Musik
Hintergrund ist die Erkenntnis eines Forschungsteams der Universität Oxford, dass die Hirnareale, die für Hören und Schmecken zuständig sind, sehr nahe beieinander liegen und eng vernetzt sind. Hören und Schmecken seien prädestiniert für synästhetische Erlebnisse, erläutert Julie Cavil. „Es ist es viel einfacher, Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und mit unterschiedlichen Geschmacksbiografien einen Champagner durch Musik als mit Worten zu beschreiben“, glaubt Krugs Kellermeisterin. Schließlich sei Musik eine universale Sprache, die überall auf der Welt verstanden werde: „Mit Musik kann man das sagen, wofür es keine Worte gibt.“
Und tatsächlich schmecken die Weine zu den Titeln Wind Rowing (Vintage 2008) und Nictiating Membrane (Grande Cuvée Edition 164) irgendwie anders, tiefer vielleicht, und man hört – und fühlt – im wahrsten Sinne des Wortes die feinen Bläschen im Glas vibrieren, sieht die Weinberge der Côte des Blancs und der Montaigne de Reims im Sonnenlicht glitzern. Ein Gänsehautmoment.
Traditionen der Maison Krug
Zu den Traditionen der Maison Krug gehört es auch jedem Vintage einen Spitznamen zu geben. So lief 2004 unter dem Label Luminous Freshness, 2006, ein besonders warmes Jahr mit sehr reifem Lesegut, als Capricious Indulgence. 2008 – eines der letzten Jahre mit den typisch kühlen, aber beständigen Witterungsbedingungen, die das Wetter in der früher Champagne dominiert haben, bevor auch hier der Klimawandel immer stärkeren Einfluss gewonnen hat – kommt dagegen als Élégance Intemporelle oder Classic Beauty auf dem Markt.
Wir wollen von Julie wissen, was man sich unter einer klassischen Schönheit aus der Flasche vorzustellen hat. „Der Vintage 2008 besitzt im ersten Moment vielleicht eine fast wenig kühl wirkende Ausstrahlung, eine gewisse Strenge. Und anders als etwa 2006 wird er noch etliche Jahre brauchen, bis er seinen absoluten Genusshöhepunkt erreicht, doch auf diesem Weg wird sich seine perfekte Harmonie und Kraft nach und nach in all ihren Facetten entfalten“, erklärt sie.
Kontinuität im Wandel
Mittlerweile sitzen wir beim Dinner und genießen die aktuelle Grand Cuvée Edition 169, die auf dem – zumindest für Pinot Noir und Meunier – eher schwierigen Jahrgang 2013 basiert, doch auch dieser Wein kann im Glas und mit ein wenig Luft voll überzeugen und bietet bereits heute enorm viel Spaß, denn schon immer war die Grande Cuvée so etwas wie die Visitenkarte der Maison Krug.
Was ist das Geheimnis dieses Weines, wollen wir von Julie wissen. „Joseph Krug träumte in den 1840er Jahren davon einen Champagner zu kreieren, dessen Qualität nicht abhängig war von der Weinlese des aktuellen Jahrgangs, sondern stets die großzügigste Verkörperung dessen repräsentieren sollte, was die jeweiligen Terroirs, die unterschiedlichen Rebsorten und all die unverwechselbare Winzerpersönlichkeiten der Region zu bieten haben. Das war die Vision. Noch heute sind wir genau diesem Ziel verpflichtet. Deshalb komponieren wir die Grande Cuvée, je nach Edition, aus 100-150 verschiedenen Grund-Weinen, ergänzt um Reserveweine aus zehn und mehr unterschiedlichen Jahrgängen.“
Dirigentin der Weine: die neuen Aufgaben der Julie Cavil
Und wie versteht Julie ihre neue Aufgabe als Chef-du-Cave bei so viel Tradition – kann sie da überhaupt noch etwas Neues einbringen? „Alles umzuschmeißen und dem Team zu erklären, wir machen von heute an alles anders, nur um das eigene Ego zu befriedigen ist einfach“, lacht sie. „Aber wer seinen Job so versteht, hätte die Philosophie von Krug schlicht nicht verstanden. Bei uns geht es um Kontinuität im Wandel.
Im Grund habe ich dieselbe Rolle wie der Dirigent eines Orchesters an seinem Pult. Die rund 250 unterschiedlichen Weine des aktuellen Jahrgangs sind die Neuzugänge meines Orchesters, die 150 Reserveweine im Keller die Veteranen. Und bei jeder einzelnen Probe muss ich immer wieder ganz genau hinhören. Sind unter den neuen Weinen potenzielle Solisten, die besonders herausstechen? Dann haben sie vielleicht das Potential für einen Vintage Champagner. Oder sind es eher Teamplayer - die Basis unserer die Grande Cuvée. Da kommen dann auch – um im Bild zu bleiben - die altgedienten Musiker zum Einsatz, die dem Wein zusätzliche Tiefe, Harmonie und Spannung verleihen.“
Bevor wir uns verabschieden, wollen wir noch wissen, welche Flasche Julie Cavil privat öffnen würde, wenn es die letzte wäre, die sie in ihrem Leben trinken dürfte. „Eine schreckliche Vorstellung“, sagt Julie und lacht, „aber ganz im Ernst: da muss ich nicht lange überlegen - eine gut gereifte Grande Cuvée aus der Magnum.“