Piero Lissoni: Der Mann, der die Luxusbranche gestaltet
Küchen spielen eine zentrale Rolle in der Laufbahn des Piero Lissoni: Schon als kleiner Junge sprach er gerne am Esstisch über seine kreativen Ambitionen. 1986, mit gerade mal 30, wurde er dann als Art Director bei Boffi, einem Anbieter von Luxusküchen, engagiert. „Das war wie ein Trampolinsprung“, sagt Lissoni heute über den Job, der seine Karriere beflügelte, ihn zu einem der produktivsten Designer unserer Zeit machte. „Ich war sehr jung, und Boffi befand sich in keiner fantastischen Lage, weder wirtschaftlich noch kreativ.”
Piero Lissoni brachte Boffi wieder nach vorne
Boffi hatte sich zwar in den 50er-Jahren als Marktführer für Luxusküchen etabliert. Doch nachdem Dino Boffi, der kreative Kopf der Marke, 1972 verstorben war, verblasste der Glanz des Unternehmens. Mitte der 80er suchte Dinos Bruder Paolo nach einem Visionär, der Boffi wieder strahlen lassen würde – und ging ins Risiko. Anstelle eines renommierten Designers verpflichtete er den unbekannten Piero Lissoni als Art Director; Geschäftsführer wurde Roberto Gavazzi, der heutige Boffi-CEO. „Wir waren zwei Jungs, die sich in ein riesiges Abenteuer gestürzt haben“, erinnert sich Lissoni. „Wir haben alles neu gestaltet: Technologien, Modelle, Ästhetik, Grafik, Kommunikation, Geschäftsabläufe. Es ging nicht einfach nur darum, neue Produkte zu entwerfen – sondern den ganzen Prozess zu kontrollieren.“
In den frühen 80ern, vor dem Ruf zu Boffi, hatte Lissoni an der Polytechnischen Universität in Mailand studiert. Nach seinem Abschluss gründete er das Designbüro Lissoni Associati, gemeinsam mit Nicoletta Canesi, heute Projektleiterin bei Lissoni Architecture New York. 1992 kam Latina, Boffis zweite Lissoni-Küche, auf den Markt. Mit ihren austauschbaren Segmenten wurde sie ein voller Erfolg – und zum Gamechanger, der Boffi wieder eine Spitzenposition auf dem Luxusmarkt sicherte. Doch Lissoni kann viel mehr als Küchen. Heute ist er Kreativdirektor für diverse Marken (darunter Alpi, B&B Italia, Porro und Sanlorenzo Yachts), hat zahlreiche Wohn-, Gewerbe- und Hospitality-Projekte entworfen.
Der Designer experimentiert mit Materialien
Seine Entwürfe in den verschiedensten Sparten prägt ein elegant-minimalistischer Stil: „Einfachheit ist nicht leicht“, sagt Lissoni. „Wenn dahinter keine Komplexität steht, wird die Sache schnell banal.“ Trotz seiner minimalistischen Philosophie experimentiert Lissoni gern mit Farben, Materialien oder verspielten Elementen – wie jener dramatischen Spiraltreppe, die er für eine Superyacht entworfen hat. „Piero Lissoni ist einer der interessantesten Namen im zeitgenössischen italienischen Design“, sagt Sergio Buttiglieri, Style Director bei Sanlorenzo Yachts. Aktuell entwickelt Lissoni die Innenräume einer Yacht, die mit einem revolutionären Kraftstoffsystem arbeitet.
Er gestaltet Wohnprojekte in Saudi Arabien, Budapest und Dubai, hat gleichzeitig mehrere Debüts auf dem Salone del Mobile und der Milan Design Week. Ein wahrer Rausch der Produktivität. So sieht eben sein Leben aus, sagt Lissoni: „Keine Ruhe.“ „Ich zeichne alles selbst“, erzählt er. „Auf Papier oder manchmal auch auf elektronischem Gerät, etwa einem iPad. Aber so oder so: Ich zeichne, nutze keine aufwendige Software.“ Das Zeichnen von Hand, sagt der Gestalter, stärke eine ganz besondere Verbindung, jene Synapsen zwischen Hand und Hirn: „Wenn man den Stift bewegt, ist dieser Moment absolut entscheidend dabei, einem Projekt seine Bedeutung zu geben.“