Von jungen Visionären Neues lernen
Geld allein macht nicht glücklich. Klar, weiß man. Auch die Milliardäre der letzten 15 Jahre, die aus dem Nichts technologische Imperien wachsen ließen, gigantische Börsenwerte und Privatvermögen schufen, waren angetrieben von Ideen – und nicht von der bloßen Vorstellung, einmal die Forbes-Liste anzuführen. Ihr Wille, das scheinbar Unmögliche menschenmöglich zu machen, trägt sie auch heute noch in eine Welt von morgen, ins Uni- oder Metaverse: Elon Musk befindet sich auf dem Highway ins All. Und wenn seine SpaceX-Rakete schon wieder explodiert ist – sei’s drum: Immerhin konnten wichtige Daten gesammelt werden, um das größte Transportshuttle der Raumfahrt zu bauen – Kollateralschaden als Wachstumsstrategie. Mark Zuckerbergs Metaverse ist zwar ebenfalls abgestürzt, an der Börse – aber trotzdem wird es diese eigenständige digitale Welt, in die sich Unternehmen einkaufen, in zehn Jahren geben, sagen Experten.
Geld, Gewissen und neue Aufgaben
Aber ist die Art und Weise, wie sich die Innovatoren der Nullerjahre präsentieren und wie sie ihr Schaffen ausrichten, überhaupt noch zeitgemäß? Irgendwie haftet dem Image der Tycoons etwas Unkorrektes an – wie einem dicken Nerzmantel, der zwar wärmt, mit dem man aber nicht so einfach durch die Berliner Innenstadt laufen könnte. Mark Zuckerbergs Mutterkonzern Meta steht immer wieder wegen illegaler Absprachen vor Gericht. Die 500-Millionen-US-Dollar-Yacht, die Jeff Bezos jüngst zu Wasser ließ, befremdete als umweltschädlicher Größenwahn. Und dass Elon Musk weniger Steuern zahlt als ein Kioskbesitzer in Uganda und außerdem mehr CO2-Emissionen verursacht als eine Million Durchschnittsmenschen – laut einer Studie, die Oxfam zum Weltwirtschaftsforum 2023 veröffentlichte –, vermit- telt den Eindruck: Die Helden von einst sind zu Antihelden von heute geworden. Die, die zu vielem bereit waren, konnten in den letzten Jahren sehr viel Geld machen: mit Kryptowährungen, mit smarten Start-up-Ideen oder wie die Kardashians auf Social Media.
Die Folge des schnellen Reichtums: In den USA hat sich das Wohlstandsgefälle von 1989 bis 2016 mehr als verdoppelt. In den vergangenen zwei Jahren verzeichnete das reichste Prozent der Welt fast doppelt so viel an Vermögenszuwachs wie die übrigen 99 Prozent zusammen. Wer da heute als Milliardär so tut, als lebe er in einem Vakuum und als gingen ihn die Krisen dieser Welt nichts an, verkennt die Zeichen der Zeit. Geld, Gewissen und neue Aufgaben, das beschreibt den Mindset-Wechsel vieler Reicher – sogar quer durch die Generationen: Es ist kaum ein Jahr her, dass der damals 83-jährige Yvon Chouinard all seine Anteile an seinem Bekleidungsunternehmen Patagonia gemeinnützigen Stiftungen übertragen hat. Früher hatte Chouinard nichts dabei gefunden, mit Umweltbewusstsein und dazugehörigem Marketing reich zu werden, ja, er kokettierte sogar damit. Heute verbindet er seinen Verkauf auch mit Kapitalismuskritik – oder positiv gewendet: mit einer Vision von einer besseren, gerechteren Welt. „Hoffentlich wird dies eine neue Form von Kapitalismus beeinflussen, die am Ende nicht zu ein paar reichen und einem Haufen armer Menschen führt“, so Chouinard zur New York Times.
Junge Erben zeigen soziales Engagement
Auch bei den jungen Erben im deutschsprachigen Raum findet gerade eine Verschiebung im Mindset statt: Millionärserben aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gründen Chatgruppen und Clubs, in denen sie sich austauschen. Ziel des Engagements: soziale Ungerechtigkeit zu verringern. Dahinter steckt auch der Wunsch, es anders zu machen als die vorherige Generation: Zwei Drittel der sehr Vermögenden in Deutschland haben ihr Geld durch Erbschaften erworben – Geld, das Familienunternehmen durch Kriege, Währungsreformen anhäuften und vor dem Fiskus retten konnten. In der jungen Erbengeneration geht es nun um Ethik und Moral, sogar um Redlichkeit. Die BASF-Erbin Marlene Engelhorn, 31, ist das radikale, anarchistische Sprachrohr der Initiative taxmenow, die sich für mehr Transparenz und für ein „starkes und gerechtes Steuersystem“ einsetzt. Engelhorn, die einen österreichischen und deutschen Pass hat, musste von ihrem zweistelligen Millionenbetrag keinen Euro versteuern. Dass Reichtum so ungleich verteilt ist und dass die Gesetze dies auch zementieren, findet sie zutiefst undemokratisch.
Auch Antonis Schwarz, 34, Erbe der 2006 verkauften Schwarz Pharma, will „die großen Probleme der Zeit anpacken“ und hat bereits die Partei der Grünen mit einer halben Million Euro unterstützt. Antonis Schwarz’ Kapital ist die Bildung von Kopf und Herz, das Heraustreten aus dem Elfenbeinturm – die Jungen kleben nicht mehr am Erbe. Er legt sein Vermögen in Impact Investments an: nachhaltige Geldanlagen mit direkten und nachweisbaren positiven sozialen und/oder ökologischen Wirkungen. Außerdem hat er die Guerrilla Foundation mit ins Leben gerufen, die Aktivisten unterstützt, die auf eine grundlegende Systemverbesserung in ganz Europa hinarbeiten. Lässt sich Aktivismus mit Luxus vereinbaren? Nun: Glaubwürdigkeit ist eine gute Währung. Die jungen Erben wissen, was sie tun.
Das zeichnet den Luxusmarkt 3.0 aus
Die Werte der jungen Millionärsunternehmer spiegeln sich übrigens in den Bedürfnissen der jungen Luxuskonsumenten, die da sind: „Geschichten statt Produkten, Wissen statt Besessenheit, Gemeinschaft statt Masse, Partizipation und Erfahrungen statt Beobachtung“, so das Fazit einer Befragung über den Luxusmarkt 3.0 der Boston Consulting Group und Highsnobiety von 4000 Konsumenten. Im Mindset der jungen Luxury Consumer spielt das Wir eine größere Rolle als hedonistischer Individualismus, und der Wert von Luxus bemisst sich auch durch eine nachprüfbare Historie, je nachhaltiger und inklusiver sich Luxus gibt, desto glaubwürdiger ist er. Auf zu neuen Horizonten!