Bugatti bietet das Beste vom Besten
Wer baut das beste Auto der Welt? Haben wir nicht im Kindesalter – durch die Quartettkarten in unseren kleinen Fingern – gelernt, dass sich nur Autos derselben Kategorie fair vergleichen lassen? Aber was, wenn man sich einfach die Aufgabe stellen würde, das beste Auto der Welt zu bauen? Ein Ausflug in die Gedankenwindungen von Wolfgang Dürheimer, Präsident von Bugatti, der ein 16-Zylinder-Monument mit 1500 PS errichtet hat: „Wir bauen Kunstwerke auf Rädern und beweisen seit dem Veyron, dass die 400-km/h-Grenze auch ohne Rennwagen-Attitude erreichbar ist – und dass es immer Käufer geben wird, die sich das Beste vom Besten leisten können und leisten wollen.“
Und so wurde auch beim Nachfolgemodell Chiron nie darüber nachgedacht, Downsizing zu betreiben: „Bugatti steht weiterhin an der Spitze der Automobilpyramide. Nachdem der Veyron Super Sport mit 431 km/h in die Rekordbücher eingezogen ist, hatten wir uns die Aufgabe gestellt, mit dem Chiron deutlich schneller zu werden. Woraus sich – und daran sind die physikalischen Gesetze schuld – eine Motorleistung von 1500 PS für das Lastenheft ergab.“ Daneben, und darauf legt der Bugatti-Chef großen Wert, waren größere Umbauarbeiten nötig: „Was die Längsdynamik betrifft, waren wir stets spitze und sind bis heute bei der Höchstgeschwindigkeit für Serienautos ungeschlagen. Doch der Chiron sollte sich mit verbesserten Handlingsqualitäten auch auf Rennstrecken beweisen können. Dieses Anforderungsprofil führte nun zu einer vollkommenen Neukonstruktion.
Beim Chiron ist vom Monocoque – dessen Steifigkeit übrigens auf dem Niveau eines LMP1-Rennwagens, das sind die Le-Mans-Siegerwagen, liegt – über den Motor bis hin zu Fahrwerk, Bremsen, Elektronik und Reifen alles neu entwickelt. Womit der Chiron seine Spitzenposition im Segment der Hochleistungssupersportwagen nicht nur gehalten, sondern den Vorsprung sogar vergrößert hat.“ Aber ist in einer Zeit, in der große Sportwagenhersteller auf Hybridtechnik setzen, ein W16-Motor mit vier Turboladern nicht ein Anachronismus? Werden hier nicht die falschen Prioritäten gesetzt? Als ehemaliger Porsche-Technikvorstand und einer der Väter des Porsche 918 Hybrid kennt Dürheimer die Problematik genau: „Hybrid kann zwar einerseits durchaus einen kleineren Motor bedeuten, andererseits kommen ja Elektromotoren und reichlich Batterien hinzu – schlecht fürs Gewicht. So ein 918 hat ein DIN-Leergewicht von immerhin 1642 Kilogramm und ist dabei ein relativ spartanisch ausgestatteter Sportwagen mit einer Systemleistung von 887 PS. Der Chiron wiegt etwa 300 Kilogramm mehr, hat nahezu die doppelte Leistung und erreicht eine mehr als 100 km/h höhere Endgeschwindigkeit.
In dieser Welt ist Hybridtechnologie nur ein Thema, wenn sie der Performance-Steigerung dient. Beim Chiron haben wir das ohne Hybrid geschafft.“ Und was die Haltbarkeit betrifft: „Wir haben einen Veyron, der ist mittlerweile mehr als 180 000 problemlose Kilometer gelaufen, und wir haben mehrere Kunden, die ihren Wagen über 35 000 Kilometer gefahren sind, was für die Alltagstauglichkeit spricht, der Rest steht entweder in Museen oder wird hin und wieder auf die Straße entlassen.“ Und da man bei Bugatti auch für die Abgasqualität einen enormen Entwicklungsaufwand betrieben hat, sollte man sich hier keine so großen Sorgen machen. Bugatti erwartet, dass der Verbrauch des Chiron trotz der 300 zusätzlichen Pferdestärken leicht unter dem des Veyron Super Sport liegen wird. Sorgen gab es eher bei der Frage, ob sich Bugatti in einem von Problemen geschüttelten VW-Konzern würde halten können: „Erstens werden wir an jedem verkauften Chiron Geld verdienen, sonst hätte der neue VW-Chef Matthias Müller das Thema beendet, und zweitens liefern unsere Ingenieure, gerade weil sie die schwierigsten Probleme lösen müssen, etliche Lösungsansätze, die auch der Konzern gern übernimmt oder in seine Überlegungen für künftige Fahrzeuge miteinbezieht.“
Nun sind es ja gerade die extremen Anforderungen, die die Entwicklung eines 1500-PS-Wagens vor spezielle Herausforderungen stellt – was war besonders schwierig? Wo musste man Kompromisse eingehen? Auf welche Lösungen hat man verzichtet – weil sie nicht zu bewältigen oder zu teuer waren? „Natürlich hat sich unser Team über die Jahre hinweg permanent Gedanken darüber gemacht, wie man den Veyron verbessern oder seinen Nachfolger konzipieren müsste. Deshalb lagen bereits viele Konzeptüberlegungen vor, als das Thema eines Nachfolgers angegangen wurde. Wir wussten also bereits sehr präzise, was wir wollten – und durch den Veyron Super Sport hatten wir ja auch schon die Leistung von 1000 auf 1200 PS und die Weltrekordgeschwindigkeit auf 431 km/h gesteigert. Wir wussten, dass für den neuen Geschwindigkeitsrekord einerseits 300 PS nötig waren und andererseits die Aerodynamik deutlich verbessert werden musste. In diesem Segment sowie in in diesen Geschwindigkeitsbereichen geht man keine Kompromisse ein. Man sucht die beste Lösung und realisiert sie – deshalb wurde stets die für die Aufgabe beste Lösung gewählt. Dies war der erste Wagen in meiner Karriere als Entwickler, bei dem kein Kompromiss eingegangen wurde – wobei natürlich der Verkaufspreis von 2,4 Millionen Euro, ohne Steuern, bei dieser Haltung hilfreich war.“
Jürgen Lewandowski
Wolfgang Dürheimer wurde 2001 Entwicklungschef bei Porsche, wo er in zehn Jahren neben Cayenne und Panamera den Hybridsportler 918 Spyder entwickelte. Nach der Übernahme durch die Volkswagen AG wurde er 2011 CEO von Bentley und Bugatti. Nach einem Intermezzo bei Audi holte man ihn vor zwei Jahren als Vorstand der beiden Luxusmarken zurück.
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